Hallo, ihr Lieben,

ich hoffe, ich habe den Titel nicht zu provokativ gewählt.

Dieser Beitrag ist mir ein echtes Anliegen, und ich hoffe, hiermit eine konstruktive Diskussion anzuregen.
Gleichzeitig bitte ich um einen respektvollen Austausch, wobei ich in diesem Forum eigentlich keinen Zweifel hege; hier werden andere Meinungen in der Regel noch respektiert

Ich habe denselben Beitrag schon als Antwort unter einen Beitrag bei "Probleme mit der Zucht" eingestellt, glaube aber, dass er hier unter "Ernährung" mindestens ebenso gut, wenn nicht noch besser aufgehoben ist.

Der Beitrag ist leider sehr lang, aber ich hoffe dennoch, wertvoll.
Noch mehr hoffe ich, dass er zu einer produktiven Diskussion anregen kann.

Nachdem ich mich aus Zeitgründen längere Zeit nicht mehr wirklich am Forenleben beteiligt habe, möchte ich mich mal wieder ein wenig einbringen - ganz besonders, was dieses Thema angeht.


Ich hoffe, es stört nicht allzusehr, dass dies ein relativ langer Beitrag wird, aber mir liegt es wirklich am Herzen, meine Erfahrung zu diesem Thema einzubringen.

Ich halte jetzt seit anderthalb Jahren wieder Wellis, 3 Mädels und 3 Jungs, glücklicherweise auch in jeweiliger Dreier-Kombi miteinander verpaart.

Obwohl ich in Kindheit und Jugend schon Wellis gehalten habe, habe ich richtig bewusst erst in den letzten anderthalb Jahren Erfahrungen gesammelt, diese aber wirklich ganz bewusst und - wie ich glaube - sowohl mit Herz als auch mit Verstand.
Und eine Sache habe ich immer wieder festgestellt - der Kern der Sache bei Wellis - gerade was Fortpflanzung und Eierlegen angeht - liegt schlicht und ergreifend in der Ernährung.

Ich habe, wie gesagt 3 Welli-Pärchen, eines davon, meine Kiwi und mein Merlin ist besonders hingebungsvoll miteinander.
Kiwi ist, seit Merlin dazugekommen ist, fast dauerbrutig, ich habe sie seit einem Jahr ganze Zweimal ohne die typische bräunliche Nasenwachshaut zu sehen bekommen; und das auch nur für jeweils eine Woche.

Die beiden schnäbeln täglich, kraulen sich, füttern sich gegenseitig.

Und trotzdem kann man die Male, die die beiden miteinander gepuschelt haben, an einer, höchstens zwei Händen abzählen.
Die anderen beiden Pärchen haben sich NOCH NIE gepaart, obwohl sie sich ebenfalls liebhaben, kraulen und schnäbeln.

Da stellt sich doch die Frage: Woher kommt das?

Vor einigen Jahren ist ein User durch mehrere Welli-Foren getingelt, der irgendwann überall gesperrt wurde, wahrscheinlich auch zu recht: Ein User der älteren Garde, der eine aus heutiger Sicht recht altmodische Wellihaltung vertrat, unter anderem auch die zeitweise Einzelhaltung zum "Gefügigmachen" und eine gewisse Art von Minimalismus, was die Fütterung angeht.

Versteht mich nicht falsch -ich halte Einzelhaltung für Tierquälerei und durch nichts entschuldbar, aber was den Minimalismus bei der Fütterung angeht, hatte dieser User meiner Meinung nach einfach nicht ganz unrecht.

Wenn ich lese, wie heutzutage in vielen Büchern und Foren propagiert wird, wie dringend Wellis Obst und Gemüse bräuchten, um aufgrund der vorhandenen Vitamine und Mineralstoffe gesund zu bleiben, kann ich dem einfach nicht zustimmen.
Würde ich so füttern, wie es propagiert wird, würde zumindest meine Kiwi nicht mehr aus dem Eierlegen herauskommen, dessen bin ich mir ganz sicher.

Stattdessen ist für mich immer, wenn Kiwi und Merlin anfangen, sich zu paaren - und sei es das erste Mal, dass ich es sehe, vorerst Schluss mit Grünfütterung.

Früchte bzw. Obst gibt es bei mir schon mal gar nicht. Nicht nur wegen des Zusammenhangs zwischen Fruchtzucker und Krankheiten, der übrigens auch nicht von der Hand zu weisen ist, sondern auch deshalb: Wellis sind kleine Papageien, und viele Papageien brauchen Früchte, weshalb jeder Papageienshop diese natürlich anbietet; aber viele Papageien leben aber auch im feucht-tropischen Dschungel - Wellis als Steppen- und Wüstenvögel sind hier die große Ausnahme.
Das MUSS sich der Logik nach auch auf die Ernährung niederschlagen.

In Australien gibt es manchmal eine ganze Dekade lang so gut wie keinen Regen und damit auch keine "grüne Landschafts-Explosion", was zur Folge hat, dass eine gesamte Welli-Generation keinen Nachwuchs hat, aber trotzdem ihr Leben lang gesund bleibt. Nur mit Samenkörnern als einzige Ernährung!

Die Korrelation zwischen Grünfütterung und unerwünschtem Nachwuchs ist also absolut erwiesen, damit ist im Grunde die einfache Rechnung "Kein/weniger Grünfutter = kein Nachwuchs" von der Natur vorgegeben.

Ich kann das Ganze nur von meiner eigenen Erfahrung her bestätigen.
Sobald ich also sehe, dass mein hingebungsvollstes Pärchen Kiwi und Merlin anfängt, miteinander zu puscheln, stelle ich die Grünfütterung für mehrere Wochen für alle ein.

Die Folge ist, dass beide sofort aufhören zu puscheln, obwohl Kiwi von der Nasenwachshaut brutig bleibt.
Aber die beiden anderen Weibchen Krümel und Elli kriegen innerhalb von einer Woche sofort wieder eine blaue Nasenwachshaut und gepuschelt haben sie mit ihren Partnern noch nie.

Und selbst wenn ich Grünfutter gebe, schneide ich mit einer kleinen Schere einzelne Strunken Golliwoog mit Blättern oder einzelne Blätter Löwenzahn, Basilikum oder Ähnliches ab und streue diese etwa einmal die Woche in das Sandkästchen auf der Fensterbank, in das ich auch immer Grassamen und Gritsteinchen geben.
Nie würde ich auf die Idee kommen, eine komplette Golliwoog-Pflanze hinzustellen und bis auf den letzten Rest abfressen zu lassen, so wie das offenbar viele Wellihalter heutzutage tun nach dem Motto viel hilft viel. Ich bestreite dies meiner bisherigen Erfahrung nach vehement.

Ein wenig gruselig finde ich deshalb ehrlich gesagt, wie schnell stattdessen zu extremen Maßnahmen wie Hormonimplantaten geraten wird, ganz besonders, wenn man bedenkt, wie unglaublich viel Stress das für
einen Welli bedeutet - sowohl vor als auch während als auch nach dem Tierarztbesuch.

Es ist meiner Meinung und bisherigen Erfahrung nach absolut sinnvoll, sich zuallererst bewusst zu machen, woher Wellis kommen und für was die Evolution diese kleinen Organismen geschaffen hat: nämlich dafür, unter extremer Trockenheit extrem heißen Temperaturen in einer extrem kargen Landschaft mit extrem wenig Grün zu überleben.

An dieser Stelle bitte ich noch einmal, mich nicht falsch zu verstehen: Ich möchte nicht propagieren, dass wir alle anfangen, unsere Wellis unter Extrem-Bedingungen zu halten.
Auch ich glaube, dass sowohl Grünpflanzen als auch Keimfutter und sekundäre Pflanzenstoffe ab und an wichtige Lieferanten gegen Mangelerscheinungen sind.

Ich bin lediglich davon überzeugt, dass sich in der Wellihaltung inzwischen eine extreme Überbetonung dieser Ernährungsweise durchgesetzt hat.

Es würde mich übrigens nicht wundern, wenn diese Art der Ernährung plus übertriebene Hygiene hauptverantwortlich für die hohe Krankheitsanfälligkeit und Sterblichkeitsrate von Wellis heutzutage ist und nicht die viel beschworene und wiederholte angebliche Überzüchtung.