Abschied von Flo
Es gibt Tage im Leben, die möchte man ganz sicher nicht nochmal erleben. Genauso gibt es Abschiede, die einem so schwer fallen, dass man glaubt, es wird nicht besser. Am 3.7.15, also vor genau einem Monat, starb mein kleiner Engel Flo. Mit der Nachricht hatte ich nicht gerechnet. Klar, wer rechnet schon mit sowas.Flo kam vor fast 5 Jahren zu mir, ihn kaufte ich damals zusammen mit seinem damaligen Partner Luna. Flo stach mir sofort ins Auge, nicht wegen seines Aussehens, nein, er war ja ein ganz normaler Grüner, sondern durch sein Verhalten. Dort im Geschäft suchte er einfach Kontakt zu jedem Welli. Ganz aufgeregt und voller Stolz redete er auf alle ein. Ich stand lange davor und schaute mir alle Wellis an. Die Entscheidung fiel, er musste mit, doch wer soll dazu? Als die Trennwand rein geschoben wurde, bevor ich einen weiteren Partner aussuchen konnte, saß ein zweiter Welli (der später den Namen Luna bekam) mit Flo auf der abgetrennten Seite. Auch dann, als die Trennwand drin war, fand es Flo nicht schlimm und erzählte dem anderen Welli etwas. So wusste ich, beide sollten es sein. Sie verstanden sich ja schließlich.
Flo hatte von Anfang an nicht sooo große Angst vor mir. Wahrscheinlich hatte er einfach nie negative Erfahrungen gemacht. Mit den Jahren wurde ich von ihm sozusagen im Schwarm aufgenommen. Es ist eigentlich fast unbeschreiblich. Er stieß Kontaktrufe aus, sobald ich nach Hause kam, er freute sich richtig. Nicht selten wollte er mir dann auch so vieles erzählen. Also stellte ich mich zu ihm und er erzählte mir an der Käfigtür sitzend ganz aufgeregt etwas. Wovon? Ja keine Ahnung ;) Wahrscheinlich was am Tag so vorgefallen ist. An manchen Tagen kam er dazu sogar auf die Hand gesprungen und knabberte ein wenig daran herum. Flo wusste immer, wann ich wirklich wach war, nur nicht aufstehen wollte. Er sah mich nicht im Schlafzimmer, aber die Tür war auf. So rief er sofort, wenn sich die Bettdecke bewegte, auch wenn man ruhig da lag, er wusste es einfach. Wenn ich nieste, nieste er gleichzeitig mit mir mit. Er war immer derjenige der mich aufheitern konnte, egal wann, egal wo. Er hatte dazu einfach ein Talent, besser als es damals Luna konnte oder später dann Leo. Vielleicht lag es daran, dass ich für ihn wirklich zum Schwarm gehörte?!
Es gab für ihn nichts besseres als Futter. Dafür tat er echt alles. Er wusste in etwa wann Essenszeit ist und da wurde natürlich sofort angefangen zu Rufen, wenn ich nicht reagierte, dann wurde man angeflogen. Wenn das nichts nützte, wurde darauf geachtet wenn ich mich bewegte. Ich hätte es niemals vergessen können, dank Flo ;) Nicht das ich das jemals getan hätte. War das Futter erst einmal im Napf, so war er fast wie ein Staubsauger, binnen kurzen hatte er seine Körner aufgefressen und ging dann zu Leo, der ein sehr genussvoller Esser ist und sich seeeehr viel Zeit bei den Mahlzeiten ließ. Erst saß Flo, geduldig wie er auch mal sein kann, neben Leo und wartete und schlief manchmal. Dauerte es zu lange, so wurde versucht auf den Napf zu kommen, doch Leo verteidigte sein Futter so gut es ging. Also kam Flo auf andere Ideen. Er wusste, Leo mag den Papierball, der auf dem Käfig lag, nicht, also musste er nur kurz mit ihm spielen, dann flog Leo weg und Flo hatte freie Bahn zum Napf. Oder aber, wenn Leo da sofort wieder hin flog, nahm Flo den Spielplatz neben dem Käfig in Angriff, auch da wusste er, Leo würde sofort hinterher kommen. Das lustige daran war wirklich, es klappte immer wieder. Er ist halt ein schlaues Kerlchen gewesen.
Aufgrund seines auf das Futter-fixiert sein, konnte ich hin und wieder mit ihm etwas üben. Wenn er mal wieder zu zeitig anfing um nach Futter zu Rufen, habe ich ihn immer an verschiedene Stellen gelockt, an denen er vorher noch nie war, manchmal mit Futter, dann später ohne, weil er wusste dass er danach sein Futter bekommen würde. Selten gab es auch mal Orte, an die er sich nicht traute und da ich mit meiner Aufforderung *Komm* nicht nach ließ, dachte er sich scheinbar: Gut, dann komm ich halt woanders hin. Er landete dann auch schon mal auf meinem Kopf. Das war aber eher selten der Fall, aber er war dann auch meist selbst erschrocken, wo er denn plötzlich saß, denn Haare mochte er nie wirklich.
Als ich damals die Papierbälle auf dem Käfig legte, wurden sie über ein Jahr nicht angeschaut. Doch plötzlich wurden sie interessant. Nur Flo interessierte sich dafür. Er erfand das Ballspielen ganz neu. Wellis sind ja dafür bekannt, dass sie gerne Dinge herunterwerfen, doch Flo nicht, er rannte manchmal minutenlang auf dem Käfig mit dem Ball im Schnabel hin und her, wuchtete es über Spielzeuge, ging an den Käfigrand und jeder dachte, er würde den Ball fallen lassen, aber nein, nach ein paar Auf- und Abbewegungen lief er wieder mit dem Ball über den Käfig. Ehe er ihn fallen ließ.
Flo war derjenige, der seinen Partnern zeigte, dass ich ungefährlich bin. Er hatte immer genug Respekt vor mir, aber dennoch ließ er mich gewähren. Er nahm es mir auch nie übel, wenn er mal gefangen werden musste. Als Luna damals starb, Sie wurde nur 1,5 Jahre alt und erkrankte an Megas, war er am Boden zerstört. Luna war seine große Liebe, er passte auf ihn auf, als er so krank war und machte einfach alles mit ihm, obwohl Luna eine echte männliche Zicke war. Als ich eines Tages ohne Luna vom vogelkundigen Tierarzt kam, verstand Flo das gar nicht. Er schaute mich sehnsüchtig an, wartete das ich Luna in den Käfig lassen würde. Den restlichen Tag rief er immer wieder nach Luna, suchte das Wohnzimmer ab, alle Plätze, immer wieder von neuem, er schlief nicht, er fraß nur ganz wenig. Als es am nächsten Tag nicht besser wurde und er morgens schon dauerhaft nach Luna rief, wusste ich, er braucht einen neuen Partner.
Als ich mit Leo nach Hause kam, war Flo hin und weg. Gleich beim ersten Zusammentreffen war Flo so voller Freude über einen Partner, dass er den kleinen Leo, der damals noch nicht durch die Jungmauser war, anbalzte. Leo total überfordert, Flo überglücklich. Er übernahm auch sofort die große Bruderrolle und war damit sehr zufrieden. Leo bekam alles gezeigt, auch den Stammplatz, den Luna und er hatten. Irgendwann wurde Leo erwachsen und Flo musste einiges einstecken, da Leo schon die Hosen anhatte. Aber nach einer gewissen Zeit legte sich das wieder und sie wurden gute Freunde. Leo schickte immer Flo vor, wenn etwas neues, Unbekanntes war.
Flo hatte wohl fast sein ganzes Leben mit dem Übergewicht zu kämpfen, trotz Diätfutter, trotz relativ viel Bewegung, schwankte sein Gewicht immer wieder sehr stark. Aber es machte ihm nicht viel aus, er flog fast genauso viel wie Leo, war nicht wirklich mehr außer Atem als Leo. Am Mittwoch fiel mir auf, dass er sein eines Bein schonte, morgens sah es aus wie verzerrt oder halt eine blöde Bewegung gemacht, als ich später wieder heim kam, hatte er um vieles mehr damit zu tun, es irgendwie zu schonen. Die Nacht verbrachte er auf seinem Lieblingsschlafplatz. Am nächsten Morgen konnte er kaum noch über den Käfig laufen, er konnte sich auf der Stange nicht mehr drehen. Tierarzttermin beim Vogeldoctor wurde für Freitag früh gemacht. Die Nacht zum Freitag schlief er nicht mehr auf seinem Schlafplatz, sondern auf dem Platz, den er sonst eher tagsüber aufsuchte. Wie ein Häufchen Elend hing er auf dem Ast. Lag mit seinem ganzen Gewicht auf dem einen Fuß und der Stange auf.
Beim Fangen im Käfig, war er sofort außer Atem, ich schob es auf die Hitze, denn es war die Zeit, wo es so enorm warm war. In meinem Wohnzimmer kühlte es nicht ab und es waren knapp 30 Grad am frühen Morgen. Flo ist immer sehr stressempfindlich gewesen, sobald er in der Transportbox saß, leckte er vor Aufregung an seinem Schnabel und hechelte. Im Warteraum beim Tierarzt, hatte er sich noch immer nicht beruhigt, ich streckte, warum auch immer ich tat es sonst nie, meinen Finger durch das Gitter und er knabberte kurz daran. Das tat ich damals bei Luna auch, kurz bevor er starb und Luna tat es ebenfalls, wie ein Abschied war das. Ich dachte sofort wieder daran, schob den Gedanken aber weg, denn ich wollte ihn ja am Nachmittag wieder abholen. Da ich arbeiten musste, ließ ich ihn beim Arzt, er sollte im Laufe des Tages behandelt werden und am Nachmittag sollte ich ihn wieder holen können, sofern es nichts ernstes war. Die Tierarzthelferin meinte noch, dass er sehr fit aussieht und machte mir damit ein gutes Gefühl. Dennoch, als ich zur Arztpraxis raus bin, war es wie damals, als ich Luna zum letzten Mal vom Tierarzt abholte, als sie dort gestorben war, ich war fix und fertig. Vielleicht lag es daran, dass ich bei den Untersuchungen eigentlich lieber dabei war oder eben, weil ich schon mal einen Wellensittich tot vom Arzt wiederholte.
Während der Arbeit war ich in Gedanken nur bei Flo und wartete auf den Anruf der Ärztin, was denn bei den Untersuchungen raus kam. Gegen 11 Uhr kam dann der Anruf. Ich bekam gar nicht mit, wie sie in der Vergangenheitsform redete. Er war sehr aufgeregt und auch extrem übergewichtig, sie hatte ihn geröntgt und nach dem Röntgen machte sein Herz schlapp. Er war so sehr aufgeregt. Sie sah auf den Röntgenbildern auch, dass er einen Nierentumor hatte, der schon so groß war, dass er alle Organe verdrängte, seine Luftsäcke waren fast gar nicht mehr vorhanden, da kein Platz mehr war. Dadurch bekam er wohl schon eine Weile keine Luft mehr. Weil seine Luftsäcke nicht mehr so arbeiten konnten, wie sie sollten, musste das Herz mehr arbeiten und war letztendlich ebenfalls stark vergrößert. Die Ärztin sah auf dem Röntgenbild nicht wo das Herz aufhörte und der Tumor begann. Er hätte höchstens noch ein paar Tage zu leben gehabt. Flo hat mir die Entscheidung abgenommen ihn einschläfern zu lassen.
Er war so stark, er ließ sich all die Zeit nichts anmerken. Er hatte eigentlich nie Atemgeräusche gemacht. Nur einmal hatte ich spät abends mal ganz kurz, keine Minute lang, leise Geräusche gehört, aber ich konnte es nicht zuordnen und es war auch sofort weg. Er flog, er zeigte nie Atemnot, ich frage mich, wie er das gemacht hatte. Die Tage zuvor spielte er noch ausdauernd mit seinem Papierball, balzte mit Leo und sie kraulten sich gegenseitig. Als er nicht mehr recht laufen konnte, wies er meine Hand ab, die ich ihm hinhielt. Er nutzte gerne mal das Flotaxi, aber er wollte es alleine schaffen. Er hat mir gezeigt, wie sehr die Wellis doch versuchen, ihre Krankheitszeichen, solange es geht zu vertuschen. Mir bleibt noch immer nur zu hoffen, dass er noch nicht lange Schmerzen hatte, dass er noch nicht lange leiden musste. Er fehlt mir unendlich sehr! Leo war die Tage auch sehr einsam und vermisste ihn, doch seitdem er einen neuen Partner hat, ist er wenigstens nicht mehr am trauern, sondern hat Ablenkung. Seinen neuen Freund stelle ich euch ein anderes mal vor.
Ich kann euch nur sagen, genießt jeden Tag mit euren gefiederten Flauschern! Genießt die Tage, als wenn es keinen weiteren geben würde. Man weiß nie, wie lange sie bei einem sind, wie lange man deren Gegenwart genießen kann. Ich wünschte, ich hätte mich mehr mit ihnen beschäftigt, sie mehr beobachtet und auch mehr verwöhnt. Nicht viele verstehen, dass man um einen Welli genauso trauert, wie um einen Menschen. Das es ebenso schmerzt, dass er ebenso fehlt. Nur wer schon mal einen geliebten gefiederten Schatz gehen lassen musste, kann dem nachempfinden. Aber seid euch gewiss, auch wenn in eurem Umfeld nicht jeder die Trauer versteht, es gibt viele andere Menschen, gerade in unserem Forum, die es verstehen und euch beistehen, die ihren Trost aussprechen, die einfach da sind. In solchen Momenten fühlt man sich verstanden wie nie und trotz der Trauer irgendwie nicht zusehr allein.
Lieber, süßer Flo, du bist nun schon ein paar Wochen im Regenbogenland mit Luna wieder vereint. Ich hoffe, es geht dir da oben bestens und du passt auf Leo und seinen neuen Freund auf! Lass dich so richtig verwöhnen und vergiss uns hier unten niemals! Du bist für mich unvergessen und fest im Herzen verankert!
Noch immer traurige Grüße
Deine Federlose
Der Artikel wurde am 03.08.2015 von blue_angel veröffentlicht in der Kateogie: Geschichten.
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bithexe aus Leonberg (03.08.2015 - 11:43)
Oje... fühl Dich gedrückt!
Für mich ist es auch jedesmal ein kleiner Weltuntergang, wenn ich einen meiner Flieger ziehen lassen muss... unglaublich, wie einem die kleinen Quatschköpfe ans Herz wachsen...!
Für mich ist es auch jedesmal ein kleiner Weltuntergang, wenn ich einen meiner Flieger ziehen lassen muss... unglaublich, wie einem die kleinen Quatschköpfe ans Herz wachsen...!
JS77 aus BN (03.08.2015 - 18:32)
Liebe blue angel,
Ein wunderschöner Nachtruf an einen so süßen kleinen Hahn... Es tut mir sehr leid, dass er von Euch gehen musste. Er hat ein wundervolles Leben gehabt und Deines und das seiner Freunde bereichert...
Ein wunderschöner Nachtruf an einen so süßen kleinen Hahn... Es tut mir sehr leid, dass er von Euch gehen musste. Er hat ein wundervolles Leben gehabt und Deines und das seiner Freunde bereichert...
Alula aus Duisburg (24.08.2022 - 04:12)
Auch wenn es schon ein paar Jahre her ist, möchte ich auch mein Beileid an dich bekunden. Du schreibst etwas sehr wichtiges:Man sollte jede Stunde mit seinen Vögel genießen.
Leider geht es im Alltag mit Arbeit und anderen Pflichten schnell unter und gerade deswegen muss man wirklich die schönen Dinge im Leben bewusster machen und in Erinnerung behalten.
Leider geht es im Alltag mit Arbeit und anderen Pflichten schnell unter und gerade deswegen muss man wirklich die schönen Dinge im Leben bewusster machen und in Erinnerung behalten.