Wellensittichhaltung in den 1940ern
Vor einer Weile habe ich bei einem bekannten Auktionshaus aus reiner Neugier zwei Büchlein über Wellensittiche ersteigert. Das eine Buch ist aus dem Jahr 1941. Da sich der Autor in diesem Buch auf sein vorheriges bezieht, dürfte dieses noch älter sein, vielleicht zur Zeit des Kriegsbeginns geschrieben.Die Titel:
1.: "Der Wellensittich. Seine Pflege und Zucht"
2.: "Abrichten und Sprechenlernen des Wellensittichs".
Beim Lesen der beiden Büchlein sträubten sich mir manchmal die Nackenhaare. Man muss aber dazu sagen, dass vor rund 70 Jahren die Einstellung und vor allem das Wissen ganz anders war. Manche Sätze haben mich dann doch positiv überrascht, wie zum Beispiel die empfohlene Käfigbreite von 100 cm.
Hier eine Inhaltsangabe, bei der ich mich aber bewusst jeglichen weiteren Kommentars enthalte:
Futter und Pflege
Der Käfig:
Soll nur ein Tier gehalten werden, welches sprechen lernen soll, darf der Käfig sehr klein sein, da es sich ja sowieso dort nur zum schlafen aufhält. Wird ein Pärchen gehalten, sollte der Käfig mindestens 100 cm lang, 60 cm tief und 130 cm hoch sein. Der Käfig soll sehr hoch sein, damit die Vögel gezwungen werden, ihre Flugmuskeln zu stärken.
Futter:
Man mischt Hirse mit Glanzsamen und Hafer. Als Nascherei wird Kolbenhirse angepriesen. Weiterhin Salat und Vogelmiere. Sind die Tiere paarungsbereit, soll man eingeweichtes Weißbrot reichen. Weiterhin soll man, um das Bedürfnis nach Kalk und Sand zu stillen, zerbröselte Mauersteine reichen. Sind die Tiere zahm, dürfen sie auch gern mit am Tisch essen, dies schadet den Tieren nicht. Das Trinkwasser ist täglich zu wechseln.
Unterscheidung der Geschlechter:
Die Wachshaut: Hähne haben eine lebhaft blaue Farbe, während die der Hennen grau-grün oder blaß-blau-grün ist.
Farbspielarten des Wellensittichs:
Oft neigen Tiere in Züchtung in Gefangenschaft zum gelbwerden und Albinismus. Daher unterscheidet man folgende Farben:
Olivgrün
Gelb
Orange
Himmelblau
Kobaldblau
Türkisblau
Weiß
Grau
Malvenfarbig
Maigrün
Satingrün
Jadefarben
Blaue Wellensittiche sind noch recht neue Zuchterfolge und solche Tiere erzielen den Zwölf- bis Fünfzehnfachen Preis eines grünen.

Krankheiten
Es gibt ansteckende Krankheiten wie Diphterie oder Tuberkulose. Solche Tiere sind sofort zu töten, damit sie die anderen nicht anstecken und nicht weiter leiden. Ein Allheilmittel für kranke Vögel sind feuchte warme Tücher, die auf den Käfig gelegt werden.
Legenot bei Hennen: Den Unterleib der Tiere mithilfe eines Tuches mit warmen Wasser einreiben. Vielleicht löst sich das Ei durch die Wärme. Weiterhin kann nichts gemacht werden.
Zu lange Krallen werden beschnitten, dabei ist darauf zu achten, dass es nicht zu sehr blutet.
Der sprechende Wellensittich:
Manchmal werden in Tierhandlungen sprechende Wellensittiche angeboten. Manchmal ist man aber enttäuscht, wenn man mit dem Vogel nach Hause kommt, da er dann keinen Ton mehr von sich gibt und sich erst manchmal einige Wochen eingewöhnen muß. Kriegsversehrte können sich ein paar Mark hinzuverdienen, indem sie die Aufgabe übernehmen, Vögeln das Sprechen beizubringen.
Am besten kauft man ein Jungtier, welches am schnellsten sprechen lernt. Entweder kauft man einen Vogel, der schon selbst frisst oder einen etwa 3-wöchigen, den man selber aufzieht. Man setzt den Vogel in einen tiefen Blumentopf und füttert ihn mit Kindernährmehl welcher nach Packungsanweisung zubereitet wird und handwarm sein soll. Dies geschieht 6 mal täglich. Nach einer Weile wird Hirse mit untergerührt, wobei das Verhältnis immer weiter verändert wird, bis der Vogel nur die Hirse frisst. Innerhalb 10 Tage ist der Vogel zahm.
Wenn man einen erwachsenen Vogel kauft, setzt man ihn nach dem Kauf in den Käfig und lässt ihn zunächst einige Stunden in Ruhe. In dieser Zeit wird das Futter entzogen. Reicht man nun das Futter vorsichtig in den Käfig, wird er versuchen davon zu fressen. Man muß beachten, dass der Vogel nicht zu sehr hungert. Als nächsten Schritt hält man das Futter so, dass der Vogel auf die Hand steigen muß. Nun soll der Vogel ja sprechen lernen. Das erste Wort wird der eigene Name sein.
Da Wellensittiche am besten Worte mit „i“ lernen, wählt man einen Namen wie Fritz, Spitz oder Tschibi. Der Unterricht beginnt in der Abenddämmerung. Man spricht dem Vogel den Namen langsam und deutlich vor. Da ein Wellensittich eine hohe Stimme hat, sind Frauen oder Kinder besser für den Sprechunterricht geeignet. Sobald er das erste Wort gut nachspricht, kann ein zweites eingeführt werden. Dabei muß das erste Wort auch immer wiederholt werden. Ein Wellensittich, der sprechen lernen soll, muss auf jeden Fall allein gehalten werden.
Gefahren
Die meisten Wellensittiche sterben eines nicht natürlichen Todes. Manche geraten in kochende Suppe, andere vergiften sich, in dem sie an Grünspan oder Farben knabbern. Mancher zahme Vogel wird Opfer der Hauskatze oder Hund oder wird, auf der Erde sitzend, totgetreten. Viele Vögel entfliegen auch und sterben draußen hilflos. Manche Besitzer beschneiden daher die Flügel der Tiere. Der Autor möchte aber ausdrücklich von solchen brutalen Verstümmelungen abraten. Einem Wellensittich ist es unangenehm, in der Hand gehalten zu werden, daher muß man davon absehen.
…………
HINWEIS:
Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass natürlich heute ganz andere Standards üblich sind! Bitte kein (negatives) Beispiel an diesen Texten nehmen!
Der Artikel wurde am 28.01.2011 von Kiki66 veröffentlicht in der Kateogie: Haltungsblog.
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Judith aus Schwabenländle (28.01.2011 - 19:19)
Ach herrjeh!
Aber sehr unterhaltsam, wenn man weiss, wie man es richtig macht.
Aber sehr unterhaltsam, wenn man weiss, wie man es richtig macht.
Miriam aus hier (28.01.2011 - 19:42)
Wow, ich bin geschockt......... Schlimm, was damals geschrieben und für richtig befunden wurde.......
Gut, dass es heute besser ist, dass sich das Wissen verbessert hat.
Gut, dass es heute besser ist, dass sich das Wissen verbessert hat.
borgi aus Erlangen (28.01.2011 - 20:06)
Soviele Dinge auch aus heutiger Sicht falsch sind.... erschreckt es mich doch umso mehr, wie viel von dem Geschriebenen RICHTIG und auch heute NOCH NICHT allgemein bekannt ist, wie z.B. die Mindestkäfiggröße (gut, die Form...) oder die Sache mit dem Beschneiden der Flügel.
Julian aus Arnsberg (04.04.2011 - 15:06)
Ich finde es schlimm, dass es den Menschen damals nur um das sprechen-lernen ging. Es geht fast nur um Einzelhaltung.
Yke aus Wiesbaden (29.11.2013 - 14:48)
Die letzten beiden Sätze find ich gut. Denn damals wurde schon erkannt, dass Flügel beschneiden eine Verstümmelung ist. Das ist in der heutigen Zeit in vielen Ländern noch gang und gebe. :(
Bei dem tiefen Blumentopf blieb mir echt die Spucke weg!!!
Bei dem tiefen Blumentopf blieb mir echt die Spucke weg!!!
Klaus aus Viersen (05.03.2014 - 09:32)
Zitat: Die meisten Wellensittiche sterben eines nicht natürlichen Todes. Manche geraten in kochende Suppe! Hühnerbrühe mal anders? *rofl* Der tut ja echt so als wäre Suppe die Todesursache Nr.1 für Ziervögel! Du meine Güte... Armer Welli!