Lenni - Wie meine Bedachtheit ins Wanken geriet
Wie mein Lenni zu mir kam.Ich bin ein sehr überlegter Mensch. Alles wird immer oder meistens in allen Konsequenzen bedacht. Über eine Entscheidung schlafe ich vorsichthalber noch eine Nacht oder ringe mehrere Tage darum. Nicht, dass das schlecht wäre. Die Menschen sind halt unterschiedlich und so gehöre ich nicht zu den Menschen, die sich zu spontanen Handlungen hinreißen lassen würden. Nur bei Lenni – da geriet meine Bedachtheit plötzlich ins Wanken.
Es war an einem sonnigen Frühlingstag. An der Bundesstraße lagen grün die Felder und an ihren Rändern wuchs wild roter Mohn. Fast schon kitschig. Aber so war es, damals auf dem Land, wo ich zu der Zeit lebte. Vor mir lag wie so oft der zwölf Kilometer weite Weg zur nächsten Kreisstadt, den ich mit dem Fahrrad bewältigen musste. Auf meiner Liste der zu erledigenden Aufgaben standen natürlich wie immer Bankangelegenheiten, Einkäufe, Besuch im Zoo- und Gartenfachgeschäft.
Das Zoo- und Gartenfachgeschäft war ein nettes, kleines Geschäft, bei Weitem nicht das, was man sich so unter einem Zoo- und Gartenfachgeschäft vorstellt. Nein, im Gegenteil. Es war klein, hatte zwei nur andeutungsweise abgetrennte Räume, hell und freundlich. Vorne die Kasse und die Gartenprodukte, im hinteren Bereich die Tierartikel. Dort standen zwei Volieren, denn man verkaufte auch kleine Ziervögel. Man konnte deren Verkauf allerdings kaum als Geschäftsmodell bezeichnen. Eigentlich wollte man nur den umliegenden Züchtern helfen, die nicht alle Nachzuchten behalten konnten. Darum fand man in den Volieren auch nur wenige Vögelchen, die auf ein neues Zuhause warteten und die sehr liebevoll von dem Personal betreut wurden. So ein Geschäft gibt es nicht, werdet ihr sagen. Stimmt! Das Geschäft musste irgenwann Insolvenz anmelden. Aber als ich das erste Mal meinem Lenni begegnet bin, da existierte es noch.
Da stand ich also in diesem netten Laden im hintersten Raum und überlegte, was ich den Meinen denn alles mitbringen wollte. Es gab wieder eine große Auswahl an Spielzeug, geeignetes und ungeeignetes. Daher war ich sehr in Gedanken versunken, als mich plötzlich ein merkwürdiges Gefühl überkam. Ihr kennt es doch sicher alle – das Gefühl, was einen plötzlich überkommt, wenn man sich beobachtet fühlt. Es ist, als habe man viele kleine Sensoren auf dem Rücken, die alle eine Warnmeldung ans Gehirn abgeben: „Achtung, du wirst beobachtet.“ Irritiert schaute ich mich um. Merkwürdig. Ich war doch die einzige Kundschaft im Laden. Ob mich wohl die Verkäuferin beobachtete? Nein, die stand auf einer Leiter im Vorraum und kramte etwas ins Regal. Also drehte ich mich wieder den Produkten zu, die vor mir aufgereiht waren. Es dauerte nicht lange und schon wieder bohrten sich unbekannte Blicke in meinen Rücken. Als ich mich undrehte, fiel mein Blick auf einen kleinen blauen Wellensittich, der sich die Nase am Gitter plattdrückte. War das mein Beobachter? Langsam bewegte ich mich nach links. Und siehe da, auch dieser kleine Zwerg kletterte am Gitter nach links mit riesigen Augen, die herausfinden wollten, was ich da in den Händen hielt. Kein Zweifel. Ich war der Gegenstand seiner Neugierde und die anderen Wellensittiche waren ihm scheinbar, jedenfalls in diesem Augenblick, viel zu langweilig.
„Was mache ich nur mit dir, kleiner Welli? Meine Plätze sind alle belegt und weitere Tiere aufnehmen, möchte ich nicht“, dachte ich. „Aber was wird aus dir? Wirst du irgendwo als Einzelvogel enden, wo deine außergewöhnliche Intelligenz und Neugierde verkümmert?“...
Eigentlich brauche ich gar nicht weiterzuerzählen, denn ihr wißt ja schon längst, dass ich den kleinen, neugierigen Wellensittich nicht einfach seinem Schicksal überlassen konnte. Ich hatte auch nicht die innere Ruhe, noch eine Nacht über die Entscheidung zu schlafen. Ich kaufte also damals – ganz entgegen meiner Natur spontan diesen kleinen, blauen Vogel und gab ihm den Namen Lenni. Und heute weiß ich, die besten Entscheidungen im Leben sind oft die spontanen.
LG
Der Artikel wurde am 02.01.2013 von veröffentlicht in der Kateogie: Geschichten.
Ähnliche Artikel in diesem Blog
Es ist schön Wellensittiche zu haben ! vom 29.11.2010
Welli.net Statistiken aus 2010 vom 16.01.2011
Vorurteile gegenüber Abgabe-Wellensittichen vom 14.05.2011
Zahm geht auch im Schwarm vom 16.05.2014
Es ist schön Wellensittiche zu haben ! vom 29.11.2010
Welli.net Statistiken aus 2010 vom 16.01.2011
Vorurteile gegenüber Abgabe-Wellensittichen vom 14.05.2011
Zahm geht auch im Schwarm vom 16.05.2014
Patrizia Hein aus Herne (11.01.2013 - 20:41)
Eines ist gewiss. Eine spontane Handlung hat einem kleinen Vögelchen zum großen Glück verholfen.