Medikamente für Wellensittiche - Gefahren und Missverständnisse
Antibiotika, Antimykotika, Antiparasitika?Fast jedem ist der Begriff "Antibiotikum" geläufig. Auch als Wellensittichhalter kommt man in Bezug auf seine Lieblinge früher oder später damit in Kontakt, nämlich dann, wenn es mal wieder einen der Wellis erwischt hat: Plustern, würgen, Atembeschwerden, Durchfall oder eine Verletzung machen die Behandlung mit Medikamenten nötig.
Das Spektrum der Mittel ist fast ebenso breit wie die Palette der Erkrankungen, die Wellensittiche heimsuchen können. Manch einer verliert den Überblick und weiß gar nicht so genau, was der Tierarzt eigentlich verschrieben hat. Im besten Fall ist der Vogelhalter nur verunsichert - im schlimmsten Fall passieren hierdurch Behandlungsfehler.
Warum es für das Leben der eigenen Wellensittiche wichtig sein kann, sich ein wenig mit Medikamenten auszukennen, wird in diesem Artikel erklärt.
Gefahr durch falsche Medikamente
Zunächst zum Antibiotikum: Das Wort stammt "latinisiert" aus dem griechischen und bedeutet so viel wie "gegen (anti) Leben (bios)". Der Name ist allerdings verwirrend, denn unter Antibiotika (das ist die Mehrzahl: Ein Antibiotikum, mehrere (verschiedene) Antibiotika) versteht man im allgemeinen Sprachgebrauch meist Wirkstoffe, die Bakterien zu Leibe rücken, in der Regel aber nicht anderen Lebewesen wie Pilzen oder Parasiten. Um diese zu bekämpfen, muss zu anderen Medikamenten gegriffen werden, nämlich speziellen Antimykotika bzw. Antiparasitika.Genau hier liegt für Wellensittiche eine besondere Gefahr, denn die kleinen gefiederten Patienten zeigen oft sehr unspezifische Symptome. Würgen, Apathie, Erbrechen, Niesen oder veränderter Kot können ganz unterschiedliche Ursachen haben. Selbst von Tierärzten werden diese Beschwerden ohne ausreichende Untersuchung häufig pauschal einer bakteriellen Infektion zugeschrieben, obwohl die Symptome häufig gar nicht durch Bakterien verursacht werden. Meist wird dann ein Breitband-Antibiotikum (z. B. Baytril) verabreicht, ohne den genauen Krankheitserreger zu kennen.
Grundsätzlich ist das in vielen Fällen auch gar nicht verkehrt, da bei kranken Wellensittichen der Krankheitsverlauf häufig so rasch tödlich endet, dass man die sofortige Behandlung "auf Verdacht" riskieren muss. Das darf aber nur eine Erste Hilfe-Maßnahme für den Notfall sein.
Zusätzlich muss immer die genaue Krankheitsursache festgestellt werden, um die Therapie ggf. anpassen zu können - das bedeutet, dass der Vogel von einem mit Vogelmedizin gut vertrautem, am besten auf die Behandlung gefiederter Patienten spezialisierten Tierarzt gründlich untersucht werden muss, um alle möglichen Erreger identifizieren zu können. Durch einen Kropfabstrich, der mikroskopisch und im Labor untersucht wird, kann beispielsweise herausgefunden werden, ob Erbrechen durch Bakterien, Pilze oder Trichomonaden verursacht wird.
Warum es so wichtig ist, den genauen Erreger zu kennen, zeigt folgendes, fiktives, aber nur allzu realistisches Beispiel:
Ein Wellensittich ist ganz offensichtlich krank: Er plustert sich auf, sitzt teilnahmslos in der Ecke, frisst nicht. Sein Gefieder ist von erbrochenen, mit Schleim versetzten Körnern verklebt. Der besorgte Besitzer bringt seinen Liebling zu einem Tierarzt, der aufgrund der Symptome eine "Kropfentzündung" diagnostiziert. Ein Abstrich wird jedoch nicht gemacht. Zur Behandlung wird ein Breitband-Antibiotikum gespritzt oder in den Schnabel gegeben.
Wenn der Vogel und sein Halter Glück haben, hat der Wellensittich tatsächlich Bakterien, gegen die das Mittel wirkt und wird wieder gesund. Es ist aber auch möglich, dass der Vogel gar nicht unter Bakterien, sondern z. B. einem Befall mit Hefepilzen leidet. Ein Antibiotikum kann nun andere Bakterien im Verdauungssystem abtöten, nicht aber den Pilz. Dessen Lebensbedingungen werden durch das Medikament sogar noch verbessert - dem Vogel geht es schlechter, vielleicht stirbt er sogar.
Was Abhilfe schaffen könnte: Von der Kropfschleimhaut wird mit einem Wattetupfer ein Abstrich genommen (das ist übrigens für den Vogel nicht schmerzhaft) und unter dem Mikroskop untersucht sowie im Labor eingeschickt. Der Wellensittich wird zunächst mit einem Breitband-Antibiotikum behandelt. Eine genauere Untersuchung der Probe ergibt, dass der Wellensittich an Pilzbefall leidet. Der Besitzer wird informiert, das Medikament auf ein Antimykotika gewechselt, der Wellensittich hat gute Chancen, dass nun mit der doch noch richtigen Therapie seine Erkrankung kuriert wird.
Daher gilt: Wenn ein Tierarzt ohne nähere Untersuchung auf Verdacht ein Medikament gibt und keine Angaben zum genauen Erreger machen kann, sollten die Alarmglocken schrillen. Bitte bestehen Sie als Tierhalter im Zweifelsfall auf einem Abstrich und/oder einer Kotuntersuchung (die Kosten hierfür halten sich übrigens in Grenzen!), um sicher zu gehen, dass die gewählte Therapie auch die richtige ist.
Manchmal wird geraten, zunächst auf Verdacht zu behandeln und nur bei ausbleibendem Erfolg weitere Untersuchungen durchzuführen. Bei aufwändigen Untersuchungen wie einer Blutabnahme ohne einen direkten Verdacht, der damit überprüft werden soll, kann das auch sinnvoll sein.
Anders sieht es aus, wenn der Vogel schon stark und sichtbar leidet. Dann darf keine Zeit verloren werden - im Zweifelsfall lieber eine Untersuchung zu früh als eine Untersuchung zu spät. Nur so ist eine sichere Behandlung mit dem wirksamsten Medikament gewährleistet, denn bei kranken Wellensittichen gilt häufig: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt.
Gefahr durch Resistenzen
Eine weitere Gefahr besteht - übrigens nicht nur bei Wellensittichen, sondern auch bei Menschen - wenn das Medikament besonders gut anschlägt. Nämlich dann, wenn der Besitzer schon vor dem angedachten Therapieende einen sichtbaren Erfolg der Medikamentengabe wahrnimmt. Der Wellensittich aus dem obigen Beispiel zeige z. B. schon einen Tag nach der ersten Antibiotikadosis eine so starke Besserung, dass man ihn für gesund hält. Das Antibiotikum wird nach zwei Tagen abgesetzt, obwohl es eigentlich eine Woche lang hätte gegeben werden müssen.Es wurden aber noch gar nicht alle Erreger abgetötet. Einige haben überlebt, und durch die Aussetzung des Wirkstoffs sind sie gegen das Medikament zudem noch resistent geworden - nach einiger Zeit können sie sich wieder vermehren, aber das alte Medikament ist nicht mehr wirksam! Ein anderes, neues oder stärkeres Mittel wird benötigt.
Es handelt sich hierbei auch in der Humanmedizin um ein ernstzunehmendes Problem. Setzen Sie daher niemals, wirklich niemals, ein Medikament ohne Rücksprache mit dem Tierarzt vorzeitig ab. Sie riskieren damit nicht nur den Heilungserfolg, sondern auch die Behandlungschancen in der Zukunft oder gar die langfristige Unwirksamkeit des Mittels.
Nach der Behandlung
Die Krux mit Antibiotika ist, dass sie häufig nicht nur die gefährlichen, sondern auch "gute" Bakterien tötet. Deshalb sind Wellensittiche nach erfolgreicher Therapie oft noch schwach und haben nicht selten Durchfall etc.Um der geschädigten Darmfauna wieder auf die Sprünge zu helfen, kann man nach der Behandlung Probiotika, zum Beispiel Mittel wie Bird Bene Bac, geben, das die Vermehrung hilfreicher Bakterien im Verdauungstrakt begünstigt. Auch hier ist der Tierarzt der richtige Ansprechpartner.
Der Artikel wurde am 28.02.2013 von Blueberry veröffentlicht in der Kateogie: Gesundheitsblog.
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Alula aus Duisburg (13.07.2022 - 00:03)
Ich finde das ist ein gute Artikel, wo das was sehr wichtig ist sehr gut erklärt wurde.