Hodentumor unter Hormontherapie-Erfahrungsbericht über Henry
Heute möchte ich euch eine Art Erfahrungsbericht zukommen lassen. Dabei geht es um meinen Henry, den ich leider nicht sehr lange bei mir haben durfte.Henry war ein aufgeweckter Wellensittichhahn in der normalen grünen Wildfärbung. Ich habe ihn nach einem Klinikaufenthalt von einer Mitpatientin zusammen mit Peter übernommen, weil sie einfach nicht mehr optimale Bedingungen für die beiden schaffen konnte.
Schonhaltung bei Henry
Gleich zu Beginn, nachdem die beiden neuen im Schwarm eingeliedert waren, fiel mir auf, dass Henry sein eines Beinchen nicht so gern belasten wollte. Immer wieder fiel er mir in Schonhaltung sitzend auf. Aber konnte das sein? Ich hatte doch einen Eingangscheck beim vkTa (vogelkundigen Tierarzt) meines Vertrauens machen lassen. Dabei wurden Blutbild, Abstriche und eine genaue körperliche Untersuchung durchgeführt. Jedoch ohne Röntgen, da sich kein Hinweis auf Auffälligkeiten ergab.
Nunja, so beobachtete ich den kleinen Neuankömmling noch 2 Tage ganz genau und beschloss dann noch einmal mit ihm eine Untersuchung beim vkTa anzustreben. Schmerzen schien der kleine Geier nicht zu haben. Er fraß normal und mit großem Hunger stürzte er sich auf alles was grün war. Er spielte, wirkte munter, und war auch sonst eigentlich nicht auffällig. Bis eben auf sein seltsames Sitzverhalten.
Untersuchungen beim vkTa
Beim vkTa angekommen hatte ich genaustens Bericht erstattet und Henry wurde darauf hin noch einmal gründlichst untersucht. Eine Tastuntersuchung am Bauch des Vogels ergab keinen Hinweis und auch die Durchbewegung der beiden Beinchen ließ der kleine Pieper geduldig über sich ergehen. Nach einer Sonographie (Ultraschall) war aber dann die Diagnose recht schnell klar. Henry litt unter einem Hodentumor. Noch war dieser relativ klein, er würde jedoch schnell wachsen, vor allem dann, wenn es sich dabei wie vermutet und später durch Blutuntersuchungen bestätigt, durch Hormone beeinflusst war in seinem Wachstum.
Henry der kleine-große Kämpfer
Nun nahm ich den kleinen Geier erst einmal mit nach Hause, um die noch ausstehenden Blutergebnisse abzuwarten. Danach sollte dann Klarheit herrschen über die genaue Art des Tumors und mögliche Therapiemöglichkeiten.
Therapie des Hodentumor
Der Tag an dem die niederschmetternde Diagnose kam, hatte eigentlich ganz gut angefangen. Bis eben das Telefon klingelte und mir klar war, was zu tun war. Ein Hormonabhängiger Hodentumor also quälte den kleinen Spatz. Nun bestand die Möglichkeit den Tumor entweder zu operieren, was allerdings angesichts des Alters und der Stelle an der der Tumor saß wenig Aussicht auf Erfolg versprach, oder eine Hormontherapie, die den Tumor in seinem Wachstum hemmen sollte.
Nach genauem Abwägen, einigen weiteren Untersuchungen und Beratung durch den wirklich sehr kompetenten vkTa war klar, eine OP kam aufgrund des hohen Risikos nicht in Frage, sondern ein Hormonstreifen sollte eingesetzt werden. Dieses Hormonstäbchen wird unter die Haut des Vogels gesetzt und gibt dort kontinuierlich über einen gewissen Zeitraum Hormone ab, die das Wachstum
des Tumors hemmen sollten. Soweit der Plan.
Der Eingriff erfolgte noch in der gleichen Woche und Henry stecke dir Kurznarkose wie auch den Rest des Stresses gut weg. Er war seither wieder der alte Henry, der seinen Spaß hatte. Das ganze war im Oktober 2012.
Henry geht es schlechter
Ende November, Anfang Dezember 2012 verschlechterte sich Henrys Zustand in sofern, dass er seinen Fuß vermehrt schonte und irgendwann auch gar nicht mehr darauf sitzen wollte. Ich entfernte vorsichtig den Ring, den er noch um sein Füßchen trug und stellte ihn erneut beim vkTa vor. Dieser bestätigte meinen bereits gehegten Verdacht, dass das Hormonpräparat nicht den gewünschten Erfolg erzielt hatte. Der Tumor war gewachsen.
Die Prognose sah nun düster aus. Henry bekam für den Fall, dass er Scherzen bekommen würde ein Schmerzmittel mit nach Hause und die Aussicht war, dass er nicht mehr viel Zeit haben würde. Der Tumor würde weiter wachsen und irgendwann die Nervenbahnen infiltriert haben. Das heißt, dass diese durch den Tumor gequetscht werden und im schlimmsten Fall das Füßchen gelähmt wäre. Nicht sehr lange nach dem wir diese Worte gehört hatten, zeigten sich die ersten Hinweise auf genau diese traurige Situation. Das Füßchen wurde lahm. Henry jedoch kam erstaunlich gut damit zurecht. Anfangs hatte er natürlich seine Probleme, beim Anflug traf er nicht gleich das richtige Gleichgewicht mit einem Fuß, rutschte ab, oder hatte Mühe sich auf der Sitzstange umzudrehen. Immer wieder nutzte er dann aber auch die immer bereit gehängten Sitzbrettchen und Ruheplattformen, um sein noch gesundes Füßchen zu entlasten.
Andere Futterschälchen und Aufpäppeln von Henry
Um Henry die Nahrungsaufnahme zu erleichtern hab ich dann auch bald auf flache Futterschälchen umgestellt. Bei den tieferen Edelstahlnäpfchen hatte er mit nur einem Bein Mühe an die Körnchen zu gelangen. Überhaupt nahm Henry nun innerhalb von kurzer Zeit sehr stark ab. Das lag unter anderem daran, dass die anderen im Schwarm (11 andere Pieper) ihn häufig aufgrund seiner Schwäche verjagten, aber auch daran, dass sich dieser kleine Kerl nie wirklich Ruhe gönnte und der Körper aufgrund des Tumors einen höheren Energieverbrauch hat. Obwohl der kleine Geier gut gefressen hatte und immer Sonderportionen Nackthafer und Kolbenhirse bekam, er magerte ab. Nun war Zeit ihn etwas zur Ruhe zu bringen.
Er musste in einen Einzelkäfig umziehen, was für mich und ihn sehr schwer war. Zwar durfte er im Zimmer der anderen Pieper bleiben, aber die ersten Tage konnte er nicht verstehen, warum die anderen fliegen durfte, er jedoch eingesperrt im Einzelkäfig sitzen musste. Nachdem er zugenommen hatte, durfte er wieder nach draußen und ich glaube, dass es gut so war.
Henry genießt das Schwarmleben
Im Januar ging es dem kleinen Hinkebeinchen dann zwischenzeitlich nochmal etwas schlechter, jedoch erholte er sich so schnell wieder, dass auch hier der vkTa grünes Licht gab und ihn ruhigen Gewissens wieder in den Schwarm entlassen konnte. Die Prognose stand, so oder so... Henry hatte nur noch begrenzt Zeit. Aber die Zeit, die im blieb, die sollte er dort verbringen wo er sich am wohlsten fühlte. In seinem Schwarm bei seinen Freunden.
Ernst und Henry
Henry und sein Bodyguard Ernst
Während all der Zeit gewann er einen besten Kumpel im Schwarm, der wie ein klebriges Bonbon an ihm hing. Ernst, ein Standardhahn. Er bewachte seinen Kumpel, fütterte ihn, verteidigte ihn, überließ ihm ein Stück Kohi und war bei ihm wann immer es Henry zu schwer war auf der Stange zu sitzen. Immer wieder war ich erstaunt über diesen kleinen-großen Kämpfer. Durch nichts ließ sich dieser Spatz unterkriegen. Er hängte sich todesmutig mit seinem einen Fuß an die frei schwingende Kohi und machte jeden Quatsch des Schwarms mit.
Henry, der einbeinig an der Kohi hängt
Der Abschied naht
Bis es vor einigen Wochen soweit war....
Es ging dem kleinen Spatz nicht wirklich schlecht. Er bekam zwar täglich seine Extra Portion Leckerchen, damit er sein Gewicht halten konnte. Aber er hatte weder Schwanzwippen, noch schlief er vermehrt, noch hätte es sonst irgend welche Anzeichen dafür gegeben, dass der kleine Mann gerade seine letzten Tage verbringt. Auch wenn man als Federlose einen solch kranken Vogel hat, der Tod einkalkuliert werden sollte, man ist immer wieder wie vom Donner gerührt, wenn das erwartete dann doch so recht unerwartet zuschlägt. Das hat nichts mit Verdrängung zu tun, sondern damit, dass man gegenwärtig jeden Moment mit seinem Pieper genießt ... nicht an das Morgen denkt.
So war es eines Morgens so, dass eine Freundin, die die Vögel während meiner Abwesenheit (denn ich war länger in der Klinik) versorgte, Henry am Boden liegend vorfand.
Ernst saß neben ihm auf der Erde und kraulte ihm mit dem Schnabel das Köpfchen. Henry lag auf dem Bauch daneben. Die Freundin dachte zuerst, dass Henry sich nur ausruhe, aber beim hingehen bemerkte sie, dass der kleine Federmann bereits ins Regenbogenland geflogen war.
Ganz ohne Schmerzen oder Anzeichen dass es zu Ende gehen würde machte sich der stolze Kämpfer auf den Weg dort hin. Treu begleitet auf seinem letzten Weg hat ihn Ernst, sein Bodyguard, wie ich ihn immer liebevoll nannte. Noch am Abend zuvor saß Henry glücklich bei seinen Freunden, machte sich noch über die Salatportion her, die sie bekommen hatten ... nun zieht er seine Runden im Regenbogenland.
Lebensqualität und die richtige Entscheidung für Henry
Auch wenn die Geschichte kein HappyEnd für Henry und uns hatte ... ich weiß, dass in seinem Fall die Entscheidung gegen die OP und für die Hormonbehandlung trotz geringerer Wirkung, die richtige Entscheidung war. Sie hat Henry zwar kein neues Leben geschenkt, aber seinem Leben noch schöne Tage gegeben, die er mit der OP nicht gehabt hätte.
Was ich damit sagen will ... Es ist nicht so, dass ich gegen Op´s bin, ganz und gar nicht. Aber es sollte immer genau der Kosten- und Nutzenfaktor für den Vogel bestimmt werden. Lebensqualität ist hier das Schlüsselwort. Ich bin mir sicher, Henry hätte eine OP nicht überlebt. So hatte er noch eine gute Zeit mit seinen Kumpels und eine tiefe Freundschaft zu Ernst, seinem gefiederten Bodyguard.
Deshalb, weil ihr in euch und auf euren Vogel schauen sollt, habe ich diesen Erfahrungsbericht veröffentlicht. In der Hoffnung darauf, dass eure Vögel nie von einer solchen Diagnose und Entscheidung betroffen sind.
Eure Ive
Der Artikel wurde am 24.04.2013 von Ive84 veröffentlicht in der Kateogie: Gesundheitsblog.
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Bärbel aus Großensee (25.04.2013 - 08:48)
Lieber tapfer Henry,
ich wünsche Dir ganz viel Spaß im Hirseland, kleiner Spatz.
Liebe Ive,
auch hier nochmal mein aufrichtiges Beileid.
Du hast es so rührseelig geschrieben,
mir kullern grad die Tränen.
Henry hatte eine wunderschöne Zeit bei Dir und ich finde es beruhigend, dass er sich nicht lange quälen musste und freiwillig ins Hirseland geflogen ist.
ich wünsche Dir ganz viel Spaß im Hirseland, kleiner Spatz.
Liebe Ive,
auch hier nochmal mein aufrichtiges Beileid.
Du hast es so rührseelig geschrieben,
mir kullern grad die Tränen.
Henry hatte eine wunderschöne Zeit bei Dir und ich finde es beruhigend, dass er sich nicht lange quälen musste und freiwillig ins Hirseland geflogen ist.