Verhaltensstörungen / psychische Probleme bei Wellensittichen
Vorwort:
Bei allen Verhaltensstörungen, die genannt werden, muss ein vogelkundiger Tierarzt ausschließen, dass das gezeigte Verhalten durch körperliche Erkrankungen, Parasitenbefall, etc. ausgelöst wird.
Die medizinische Seite muss komplett abgedeckt worden sein, bevor man die psychische Seite des Wellensittichs betrachtet!
Verhaltensauffälligkeit bedeutet, dass der Wellensittich mit seinem Verhalten vom natürlichen Sozialverhalten seiner Art abweicht und die Symptome oft gegen sich selbst oder seine Umwelt gerichtet sind.
zu den häufigsten Verhaltensauffälligkeiten gehören:
- Fehlprägung
- Federrupfen & Haut beißen
- Schreien
- Aggressivität
- Teilnahmslosigkeit
- zwanghafte Bewegungen
Ursachen:
Die Ursachen können ganz unterschiedlich sein, dies sind ein paar Beispiele:
* Einzelhaltung: Der Vogel lebt alleine, fühlt sich einsam.
* Es kann an falschen Haltungsbedingungen liegen, z.B. Käfig zu klein, zu wenig Freiflug, falsche Ernährung, unpassende Temperaturen / Luftfeuchtigkeit, Bewegungsmangel, etc.
* Veränderungen des sozialen Umfelds: Partner verstirbt, Aufstocken des Schwarms, Umzug, Renovierung.
* Stresssituationen: Darunter kann sehr vieles fallen, denn manchmal sind es auch kleine Dinge, die einem Vogel Stress bereiten, ohne dass sie von dem Halter als belastend wahrgenommen werden.
* Konstellation des Schwarms: Ungleichgewicht der Geschlechter, Mobbing , sexueller Frust unter den Tieren.
* Langeweile: Zu wenig Beschäftigungsmöglichkeiten, der Spieltrieb kann nicht ausgelebt werden.
Natürlich gibt es noch viel mehr Ursachen, teilweise auch sehr individuelle, die nicht leicht herauszufinden sind, da das Verhalten zu bestimmten Situationen, Menschen und Gegenständen aufgebaut wurde.
Verhaltensauffälligkeiten:
Fehlprägung:
Fehlprägungen auf Menschen oder andere Tierarten sind oft unter Einzelhaltung zu beobachten, wenn der Wellensittich keinen artgleichen Partner besitzt.
Der Vogel sucht dann unter allen Umständen die Nähe zu anderen Lebewesen, um überhaupt soziale Kontakte zu haben. Häufig tritt bei Fehlprägung auch die Nachahmung des Partners auf, so dass der Wellensittich die eigene Sprache vernachlässigt, um seinem vermeintlichen Partner ähnlicher zu werden.
In dem Zusammenhang kommt es häufig zu einer sexuellen Fehlprägung, bei der der Vogel sogar eigene Artgenossen verschmäht und versucht, mit dem Partner zu verkehren, auf den er geprägt wurde.
Federrupfen & Haut beißen:
Es beginnt häufig an Stellen, die äußerlich nicht direkt erkennbar sind, unter den Flügeln, kleinere Stellen am Hals oder Brustbereich, bei denen vor allem das untere Gefieder (Dunen) ausgezupft wird.
Das Federrupfen kann so weit gehen, dass sich der Vogel großflächig kahle Stellen zufügt, blutende Wunden beißt oder gar selbst verstümmelt. Das Aufbeißen von Haut kann zu Entzündungen und Verbluten führen. Die Selbstzerstörung geht so weit, dass der Vogel sterben kann!
Hat sich ein Wellensittich das Rupfen angeeignet, dauert es meist sehr lange, bis man dieses Symptom wieder in den Griff bekommt, auch wenn die Ursache schon länger beseitigt wurde.
Federrupfen ist nicht vergleichbar mit einer normalen Mauser, in der ein Vogel auch viele Federn verliert und kahle Stellen bekommt.
Häufig kann man den Vogel beim Putzen beobachten, hört dann einen "Schmerzensschrei" und das Köpfchen taucht mit Feder im Schnabel auf.
Es kommt auch vor, dass ein Vogel einen anderen "fremdrupft" oder beim Kraulen das sogenannte "Partnerrupfen" geschieht.
Kleiner Erfahrungsbericht: Ich habe selbst einen Wellensittich besessen, der durch Einzelhaltung Rupfer wurde und dann in einem Schwarm aufblühte, das Verhalten aber sehr sehr langsam veränderte. Nach gut anderthalb Jahren trat die Selbstzerstörung nicht mehr auf.
Schreien:
Wellensittiche können mitunter sehr laut werden und gerade in den Morgenstunden voller Aktivität zwitschern.
Sollte ein Vogel von morgens bis abends in den lautesten Tönen "schreien" und rufen, kann es sein, dass er ein Dauerschreier geworden ist, der seinem inneren Ungleichgewicht somit Ausdruck verleiht.
Manche Wellensittiche schreien aus Angst, aus Einsamkeit, um die Aufmerksamkeit eines Partners zu gewinnen oder um ein Trauma zu verarbeiten.
Auch hier können die Ursachen vielfältig sein. Häufig fühlt sich der Halter mit seinem "Schreier" oft überfordert, da es nicht einfach ist, den Grund des Schreiens herauszufinden und den Vogel zu unterstützen.
Kleiner Erfahrungsbericht: Mein Nymphensittich Chui war, als wir ihn bekamen, ein Dauerschreier und es war wirklich nicht einfach, diese Lautstärke tagtäglich zu ertragen. Er kam aus langjähriger Einzelhaltung. Als wir ihm seine Partnerin Sunny vorstellten, hörte sein Schreien von heute auf morgen auf. Nicht immer ist eine Ursache so schnell gefunden und es ist auch nicht gesagt, dass das Schreien immer direkt aufhört, wenn der Vogel das Symptom verinnerlicht hat.
Aggressivität:
Wellensittiche können sowohl gegen Menschen als auch gegen Artgenossen aggressives Verhalten zeigen. Nicht immer ist Aggressivität gegen Artgenossen Fehlverhalten! Es gibt normale Revierstreitigkeiten und Rangeleien.
Aggression kann auch durch Mobbing Ausdruck finden (hierbei muss beachtet werden, dass kein Vogel krank ist, denn es gehört zum natürlichen Verhalten, dass kranke Mitglieder eines Schwarms ausgestoßen werden).
Die Aggressivität wird oft gegen schwächere Schwarmmitglieder gerichtet.
Besonders zu beachten ist die Kombination aus Fehlprägung auf den Menschen und Aggressivität. Der Wellensittich kann mit seinen Artgenossen nicht mehr umgehen und verhält sich ihnen gegenüber aggressiv. Oftmals projiziert das Tier seine Ängste vor den anderen Vögeln dann auf den menschlichen Ersatzpartner und beißt hier ebenfalls schmerzhaft zu.
Eifersucht spielt bei fehlgeprägten Tieren auch eine große Rolle: Da sie die Aufmerksamkeit des Halters nicht verlieren wollen, reagieren sie aggressiv auf Artgenossen.
In solchen Fällen muss eine Vergesellschaftung sehr behutsam und durchdacht vorbereitet werden.
Teilnahmslosigkeit:
Wenn keine körperlichen Ursachen gefunden werden kann, kann gesteigerte Teilnahmslosigkeit, Ruhebedürfnis und Zurückgezogenheit auch psychische Gründe haben.
Es ist gleichzusetzen mit einer Depression. Der Vogel spielt kaum noch, bewegt sich wenig und hat sein Interesse an vielen Dingen verloren, die er zuvor noch gerne hatte.
Oftmals ist der Verlust eines engen Partners der Grund für einen solchen Rückzug. Der Vogel trauert!
Hier können auch fehlende Spielmöglichkeiten, Einsamkeit und Langeweile eine große Rolle spielen.
Zwanghafte Bewegungen:
Dieses Verhalten wird häufig bei Großpapageien beobachtet, kann aber auch unsere kleinen Freunde treffen.
Gleiche Bewegungsabläufe, Hin- und Herlaufen vor dem Käfiggitter oder andauerndes Einhängen in eine Käfigecke mit dem Versuch, sich durch die eigenen Beine zu drehen, kann auf eine Störung hinweisen. Sollte dieses Verhalten über einen langen Zeitraum auftreten, muss man nach Ursachen für diese Bewegungsabläufe suchen.
Häufig haben die betroffenen Vögel Bewegungsmangel, zu wenig Freiflug, und wissen nicht wohin mit ihrer Energie. Ungünstige Käfige (zu klein, Rundform )können Anlass für eine solche Verhaltensveränderung sein.
Individuelle Probleme:
Jeder Vogel, der ein Trauma erlebt hat oder durch seine Haltung Verhaltensauffälligkeiten aufgebaut hat, kann zudem individuelle Symptome entwickeln, die so unterschiedlich sein können, wie jeder Vogel selbst ist.
Behandlung:
Für die Behandlung von psychischen Problemen bei unseren Kleinen gibt es kein Pauschalrezept.
Das beste Mittel gegen Verhaltensstörungen ist, sie gar nicht erst auftreten zu lassen und den Vögeln eine möglichst artgerechte Haltung und Ernährung zu bieten.
Trotzdem ist niemand davor gefeit, dass ein Vogel "krank" wird.
Dann muss die Ursache ausgemacht werden. Erst einmal muss der Vogel beobachtet werden: Wann tritt das Verhalten auf, in welchen Situationen, unter welchen Umständen?
Die eigenen Haltungsbedingungen müssen überdacht werden. Ist der Käfig groß genug, biete ich genug Freiraum bzw. Freiflug, ist mein Vogel alleine, hat er gerade einen Partner verloren?
Hat der Vogel Ängste, wann treten diese auf, wie kann ich sie vermeiden?
Gerade Vögel mit psychischen Auffälligkeiten brauchen viel Beschäftigung. Sie benötigen Ablenkung und viele Bewegungsmöglichkeiten, um Stress auf andere Art und Weise abbauen zu können.
Der Tagesablauf sollte Regelmäßigkeiten aufweisen, an denen sich der Vogel orientieren kann.
Stresssituationen und große Umstellungen sollten vermieden werden, da sie das ungewünschte Verhalten unter Umständen sogar noch fördern können.
Man muss individuell mit dem Vogel umgehen. Jeder Halter kennt seine Wellensittiche am besten und weiß, welchen Charakter der betroffene Vogel besitzt, was seine Lieblingsbeschäftigungen sind, womit er beschäftigt werden kann.
Durch andere Vogelhalter habe ich erfahren, dass das Clickertraining eine Therapie unterstützen kann, denn auch das Clickern beschäftigt den Wellensittich.
Es ist wie ein Ritual, das in den Tag eingebaut wird, ein Belohnungssystem, das dem Vogel positive Verstärkung gibt. Man kann es ganz langsam einbauen und im späteren Verlauf die negativen Ursachen, einbringen und mit dem Positiven überdecken.
Es ist ein langer Weg und fordert sowohl dem Halter als auch dem Vogel Geduld ab.
Doch ich habe schon von Erfolgen gelesen und gehört.
Für schlimme Schockmomente gibt es die "Bachblüten-Rescue-Notfalltropfen", die bei richtiger Dosierung und Handhabung auch bei Wellensittichen eine stabilisierende Wirkung besitzen.
Zudem können passende Bachblütenmischungen angefertigt werden, die individuell für das jeweilige seelische Leiden angewendet werden und eine Langzeittherapie unterstützen.
Der Artikel wurde am 26.08.2013 von Seelenvogel veröffentlicht in der Kateogie: Gesundheitsblog.
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