Pepi ist nur wenige Zentimeter groß
... und doch so ein großer Lehrmeister und mein persönlicher Held!Ich sitze hier, vor unserem Vogelbaum, und muss an einen ganz besonderen Vogel, der nun schon vor gut eineinhalb Jahren ins Regenbogenland aufgebrochen ist, denken ... Pepi. Als Pepi und sein Kumpel Chico im Jänner 2009 bei uns einzogen, ahnte ich noch nicht, wie sehr diese beiden kleinen Geschöpfe mein Herz berühren und schon bald öffnen würden.
Nach einer anfänglichen Eingewöhnungsphase war das ganze Haus mit munterem Gezwitscher erfüllt. Was war das für ein herrliches Gefühl! War ich anfangs noch ziemlich unbedarft im Umgang mit den beiden Vögelchen, bin ich in den darauffolgenden Wochen und Monaten immer mehr in die Welt der Wellensittiche hineingewachsen und habe so auch die Gemeinschaft von welli.net kennen- und schätzen gelernt. Die ursprünglich angeschaffte „Hubschrauber-Voliere“ musste nach relativ kurzer Zeit einer schönen großen Voliere weichen, wir bastelten für unsere beiden Schätze einen großen Vogelbaum, ich lernte, den Speiseplan abwechslungsreicher zu gestalten, wir gewöhnten die beiden Flugdrachen an Hirsefüttern aus der Hand uvm. Kurzum wir waren vom Welli-Virus infiziert und es bereitete mir eine solche Freude, den beiden fröhlichen Gesellen Tag für Tag bei ihrem Treiben zuzusehen. Waren sie glücklich, war die Federlose auch glücklich ;-)!
Im März 2010 legte sich der erste kleine Schatten über unsere bis dahin heile Wellensittich-Welt. Bei unserem Pepi wurde der Ausbruch von Megabakterien diagnostiziert. Für uns Federlosen ein ziemlicher Schock im ersten Moment!!
Wir brauchten einige Zeit, um diese Diagnose verarbeiten zu können. Ab diesem Zeitpunkt bekam Pepi täglich eine verdünnte Ampho B-Gabe in sein Schnäbelchen. War die erste Zeit des Einfangens stressbeladen für den Gefiederten und die Federlosen, so haben wir uns doch alle nach kurzer Zeit an die tägliche Prozedur gewöhnt und das alltägliche Leben ging weiter. Natürlich war uns bewusst, dass unser Pepi mit dieser Diagnose kein „Dinosaurier-Alter“ erreichen würde, aber wir hofften sehr, dass dem kleinen Wicht – trotz dieser Diagnose – noch viele fröhliche Wellensittich-Jahre bevorstehen würden. Das war für uns ein sehr versöhnlicher Gedanke ...
Was wir damals noch nicht wussten: Der Schatten sollte leider noch dunkler werden. An einem Abend im März 2012 fiel mir auf, dass unser Pepi versuchte, sein Füßchen zu schonen und der Greifreflex nicht richtig funktionierte. Natürlich wurde ich am nächsten Tag sofort bei unserer vogelkundigen Tierärztin vorstellig, die mir die niederschmetternde Diagnose „Verdacht auf Tumor“ mitteilte. Ich konnte es nicht fassen! Warum musste unser kleiner Schatz nun auch noch diese Bürde tragen! Meine Gefühle fuhren Achterbahn! Die Palette reichte von zutiefst traurig, deprimiert, zuversichtlich, dankbar, dass es den kleinen Spatz überhaupt gibt, hoffnungsvoll ... Nachdem Pepi laut unserer Tierärztin keine starken Schmerzen hatte und offensichtlich, trotz körperlichem Handicap, voller Tatendrang und Lebensenergie steckte, entschieden wir uns für eine Behandlung mit einem Schmerzmittel. Das bedeutete für unseren kleinen tapferen Wicht, dass er nun täglich zusätzlich zur Ampho-Gabe auch noch das Schmerzmittel „schlürfen“ musste.
Anfänglich schlug das Schmerzmittel sehr gut an, der Greifreflex kehrte wieder zurück. Also beschloss die Tierärztin, das Mittel abzusetzen. Eine Woche ging alles gut, bis sich der Greifreflex langsam wieder verschlechterte. Ich kann meine verzweifelten, hilflosen Gefühle, die beim Anblick unseres sonst so quirligen, jetzt etwas unbeholfenen, tollpatschigen Flauschers, in mir aufkamen, gar nicht recht beschreiben. Nach einem neuerlichen Tierarzt-Besuch bekam Pepi wieder das Schmerzmittel; diesmal half es nicht. Der kleine Kerl wurde in den Beinchen immer schwächer, konnte sich nur mit allergrößter Vorsicht das Gefieder putzen (um nicht sein Gleichgewicht zu verlieren) und nun merkte man ihm auch deutlich an, dass er sich unwohl fühlte.
Für mich war klar, dass es – viel zu schnell – wohl zu Ende gehen würde. Unsere Tierärztin, die wir zu Rate zogen, war allerdings nicht dieser Meinung und so schlug sie noch die Verabreichung von Cortison, einem stärkeren Schmerzmittel, vor. Und siehe da, dieses Medikament schlug sehr gut an. Unsere Tierärztin bereitete mich schonend darauf vor, dass es nur mehr eine Frage der Zeit wäre, bis unser kleiner Liebling gehen würde. Das Einzige, was wir beitragen konnten, war, dafür Sorge zu tragen, dass Pepi keine Schmerzen erleiden musste und er einen schönen schmerzfreien „Lebensabend“ verbringen konnte. Während ich mich wie gelähmt und echt verzweifelt fühlte und nicht wusste, wie alles weitergehen sollte, fing unser kleiner Wicht nebenher an, für sich neue Wege auszuloten, was das Klettern und von einem Ort zum anderen zu kommen, anlangte. Binnen kürzester Zeit entwickelte er eine Technik, wie er sich z.B. beim Klettern mit Hilfe seines Schnäbelchens und seines gesunden Füßchens geschickt hochziehen konnte. Er dachte gar nicht ans Aufgeben, es war faszinierend, ihm dabei zusehen zu dürfen, wie er sich richtig in ein fröhliches Welli-Leben „zurückhantelte“.
Pepi bekam nun also Cortison, sein Füßchen blieb zwar gelähmt, aber er selber hatte durch die Medizingabe sehr viel Lebensfreude- und auch -energie zurückgewonnen. Er nahm wieder regen Anteil am Geschehen. Wir suchten nach Möglichkeiten, unserem Pepi das Leben zu erleichtern. So entschloss ich mich, z.B. die Futterschüsselchen, die an der Außenseite der Voliere angebracht waren, von nun an wegzulassen, um unserem Kleinen die Strapazen beim Erreichen des Futterplatzes zu ersparen. Aber die Rechnung hatte ich ohne unseren kleinen Kämpfer gemacht! Unser Pepi dachte nicht im Entferntesten daran, sein Futter ab jetzt woanders einzunehmen; er setzte sich kurzerhand demonstrativ auf den Ring, in dem die Schüsselchen normalerweise eingehängt waren, und (er)wartete (auf) sein Futter. Es war wirklich erstaunlich und erfreulich zugleich!
Wir montierten außerdem Korkrinde, um Liegeflächen zu schaffen, damit Pepi sein „gesundes“ Füßchen beim Liegen entlasten konnte. Er jedoch benutzte diese Liegeflächen, um, während er mit seinem gesunden Füßchen am Gitter hing, kopfüber die Unterseite der Korkrinde zu schreddern. Nach einiger Zeit kam noch eine Druckstelle auf seinem gesunden Füßchen hinzu. Ab da wurde nun auch das Füßchen mit Propolissalbe eingecremt und wir Federlosen, nicht dumm, ummantelten als Erleichterung beim Sitzen/Liegen die Sitzäste, Schaukeln usw. mit Küchenkrepp. Aber auch hier zeigte uns unser kleiner Spatz, dass er „doch nicht krank sei“ – er weigerte sich standhaft, eine dieser gepolsterten Äste/Schaukeln zu verwenden; ganz im Gegensatz zu seinem Kumpel Chico, der diese „Äste de luxe“ sofort freudig annahm und auch gerne darauf schlief. Pepi hingegen zwängte sich immer wieder auf die unmöglichsten Stellen, die nicht mit Küchenkrepp ummantelt waren. Als das Ganze dann soweit ging, dass er neben dem Sitzast am Volierengitter hing und so zu schlafen gedachte, entschieden wir, zum Wohlgefallen von unserem Pepi, dieses weiße „Ungetüm Küchenkrepp“ wieder zu entfernen.
Nach ein paar Tagen begann Pepi, sich doch unseren Hilfsangeboten gegenüber zu öffnen. Dies zeigte uns, dass er selber offenbar fühlte, dass er nun seinen letzten Lebensabschnitt beschritt. Wir Federlosen genossen wirklich aus vollem Herzen jede Minute mit ihm, die uns noch geschenkt wurde. Pepi selber legte sich nun auch oft zwischendurch auf sein Korkbrettchen, nahe dem Vogelbäumchen, sah seinem Kumpel beim Spielen zu und ließ es sich nicht nehmen, von dieser Position aus das Geschehen laut zu dokumentieren. Einerseits war es sehr traurig für uns mitansehen zu müssen, wie sehr sich unser früher so lebenslustiges, lautes, fröhliches, freches, agiles Vögelchen verändert hatte. Aber andererseits hatte auch „dieser Vogel“ etwas sehr Herzerwärmendes an sich. Er wurde durch seine schwere Krankheit zu einem friedvollen, in sich ruhenden Vögelchen, der für uns den Anschein erweckte, dass er – trotz seiner Leiden und Handicaps – sein Leben in vollen Zügen genoss, nur eben auf andere Art und Weise.
In der letzten Lebenszeit von Pepi hatten wir auch für uns noch ein sehr schönes Morgenritual eingeführt: Pepi schlief nun doch ab und zu liegend auf den Korkbrettchen. Sobald ich die Voliere öffnete, bekam er von mir in einem kleinen Schälchen Frühstückskörnchen und danach Trinkwasser gereicht. Es war immer wieder ein sehr berührender Moment, ihm am Morgen so nah sein zu können. War sein Kumpel Chico anfangs von dieser Zeremonie sichtlich befremdet, so nahm er dieses Angebot nach ein paar Tagen aber auch freudig an. Mit der Zeit wurde Pepi immer schwächer … obwohl er noch mutig seine Kolbenhirse gegen Chico verteidigte, brauchte er nun schon viele Ruhepausen, fraß nicht mehr so oft und schlief sehr viel. Wir schwankten oft zwischen dem Gedanken, ihn erlösen zu lassen und der großen Hoffnung, dass unser kleiner, tapferer Schatz sich einfach so im Schlaf auf ins Regenbogenland machen würde. Leider wurde unsere Hoffnung nicht erfüllt ...
Als das gesunde Füßchen nicht mehr mitspielen wollte, sich auch hier eine Lähmung abzeichnete und Pepi sich nicht mehr ordentlich auf einem Ast halten konnte, wussten wir, dass es nun an uns war loszulassen … wir entschieden uns schweren Herzens, unseren gefiederten Schatz erlösen zu lassen. Am Morgen dieses für uns traurigen, für Pepi sicher aber sehr befreienden Tages, frühstückten wir noch im Wohnzimmer bei unseren Vögelchen. Pepi schaffte es, sich auf das Korkbrettchen, das unserem Frühstückstisch am nächsten hing, hinüberzuhanteln und beobachtete uns aufmerksam in aller Ruhe; das hatte er immer schon gerne gemacht.
Auch, wenn das vielleicht einige Menschen als Hirngespinst abtun möchten, ich glaube ganz fest daran, dass Pepi wusste, welchen Weg er bald antreten würde und so nahm er noch einmal auf seine Art leise von uns Abschied. Mein Herz war schwer wie Blei, es war (gefühlsmäßig) auf 1/3 seiner Größe zusammengeschnürt. Ich kann meine Trauer, die mich damals bewegte und mich jetzt beim Schreiben dieser Zeilen wieder erfasst, nicht in Worte fassen. Hätte mir früher jemand gesagt, dass ich irgendwann einmal an ein so kleines Vögelchen mein Herz verlieren würde, hätte ich es nicht glauben wollen. Und nun saß ich da und war nur noch traurig über den bevorstehenden Verlust und fühlte mich sehr hilflos.
Aber in mir schlug noch ein zweites Herz: Ich wusste, dass ich diesen Weg des Erlösenlassens – aus Liebe und tiefen Respekt zu unserem tapferen Vögelchen – gehen musste. Und dieses Wissen gab mir in diesem Moment auch die Stärke, das alles durchzustehen. Bevor ich mich mit Pepi auf den Weg machte, ließ ich ihn noch gemeinsam mit Chico ein letztes Mal aus meiner Hand Kolbenhirse naschen. Auch in dieser Situation wurde mir bewusst, dass unser Pepi wusste, dass nun ein (zumindest irdischer) Abschied bevorstand. Er und sein Kumpel, die sich sonst immer um Kolbenhirse gestritten hatten, fraßen in friedvoller Einigkeit. Es gab kein Gerangel, kein Gezanke, sondern nur ein friedliches, wissendes Miteinander. Verabschiedeten sich die Beiden immer mit einem lauten Tschirper voneinander, war dies ein ganz leiser friedlicher Abschied.
Ende Juni 2012 hat unser Pepi seine letzte Reise ins Regenbogenland angetreten ...
Pepi hat unter unserer wunderschönen Magnolie im Garten seine letzte Ruhe gefunden – dieser Platz hätte ihm gefallen. In dieser großen Magnolie tummeln sich in den warmen Monaten immer jede Menge quirliger Spatzen – so hat unser kleiner Hausspatz immer lustige Gesellen um sich herum. Mich persönlich beeindruckte ganz stark, dass unser Vögelchen aus wirklich jeder Situation, egal wie schlimm sie auch noch zu sein schien, einfach nur das Beste herausholte und gar nicht daran dachte, sich die Lebensfreude nehmen zu lassen. Es schien, als kehrte er mit der Zeit immer mehr in seine Mitte, würde mit sich und seiner Umwelt ins Reine kommen, als nähme er in seiner letzten Zeit hier in aller Ruhe und mit großer Zufriedenheit und Verbundenheit von seinen Federlosen und seinem Freund Chico Abschied, um sich dann für den Flug ins Regenbogenland bereit zu machen.
Auch wenn diese drei Monate, in denen unser Pepi mit seiner schweren Krankheit leben musste, für mich sehr schwer und mit großer Traurigkeit verbunden waren, so bin ich trotzdem von ganzem Herzen dankbar dafür, dass ich für mich persönlich dazu lernen durfte. In dieser Zeit wurde ich (wieder einmal) mit dem Thema „Loslassen“ konfrontiert bzw. gezwungen, mich damit auseinanderzusetzen. Das Beste aus einer schwierigen Situation herauszuholen und sich davon nicht unterkriegen zu lassen, sondern, im Gegenteil, einfach weiterzumachen und sein Leben – auch unter diesen geänderten „Bedingungen“ – weiterhin in den mir bestmöglichen Zügen zu genießen, das hat mich mein kleiner gefiederter Held gelehrt und mich miterleben lassen, wie soetwas aussehen kann ... Wenn ich an unseren Pepi zurückdenke, dann mit großer Freude und Liebe, tiefer Verbundenheit und Dankbarkeit für die gemeinsame Zeit ...
Du bist und bleibst in unseren Herzen tief verankert, Pepi-Maus!
Der Artikel wurde am 16.12.2013 von veröffentlicht in der Kateogie: Geschichten.
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Karin aus Gerasdorf (18.12.2013 - 21:56)
Sehr berührend! Wie schön, dass es Menschen gibt, die ein so großes Herz für ein so kleines Tier haben.