Hürdenwellis - Franzi ist einer davon
Franzi ist eine recht muntere Wellensittich-Dame von nunmehr 12 Jahren. Wo sie den größten Teil ihres Lebens verbrachte ist nicht bekannt. Sie landete in einem Tierheim und wurde gemeinsam mit ihrem Partner Filou in die sehr liebevolle Haltung von Regine vermittelt, wo das Paar eine glückliche Zeit verbrachte. Als Filou wegen eines fortgeschrittenen Gichtleidens eingeschläfert werden musste, sollte Franzi ein Zuhause finden, in dem ebenfalls auch ältere Vögel lebten und in dem ihre Erkrankung gut versorgt werden würde. Denn Franzi leidet an einem Ekzem unter dem einem Flügel, das gut beobachtet sein will und regelmäßig behandelt und eingecremt werden muss. Regine hatte die Sorge, dies künftig nicht mehr dauerhaft leisten zu können, da sie häufig für mehrere Tage verreisen muss, und so machte sie sich auf die Suche nach einem geeigneten Welli-Heim für Franzi, in dem Franzis Weiterbehandlung sichergestellt sein würde, und fand sie: Hägarien, die "Endpflegestelle" für sehr alte, chronisch kranke und bewegungseingeschränkte Wellensittiche mitten im Ruhrgebiet, gerade 10 Minuten von Franzis altem Zuhause entfernt.Wir wurden uns schnell einig, und so zog Franzi mit großer Mitgift samt ihrer schönen bisherigen Voliere noch am Tag von Filous Tod um. Die Tierarztkosten wollte Regine weiter selbst tragen, es ging ihr ausschließlich um Franzis Betreuung. Und da Franzi sehr klug ist, fand sie sich sehr schnell in der neuen Umgebung zurecht, umgeben von anderen Fliegern gesetzteren Alters und den Fußgängern in ihrer geschützten Voliere.
(Hürdenwelli Franzi)
Und sie fand ebenso schnell den ein Jahr älteren Männlein und mit ihm noch einmal die ganz große Liebe. Er umsorgte und fütterte sie, der stattliche grüne Hahn, und sie dankte es ihm mit stundenlangen Kraul- und Schmuseeinheiten, die es zuvor mit Filou so nicht gegeben hatte, wie Regine immer wieder überrascht erzählte. Männlein ließ Franzi nie aus den Augen, egal ob sie gerade schlief oder in den verwegensten Ecken unterwegs war; da wo sie war, war auch er. Wenn es mal wieder zum Tierarzt ging, duckte sie sich ganz tief unter seinen Bauch, und er beschützte sie auch dort innig und liebevoll.
(Hürdenwelli Franzi mit Männlein)
Auf einer gemeinsamen Fahrt zum Tierarzt mit Regine, Männlein als Beschützer und Franzi, die sich ihr Ekzem aufgebissen hatte und durch das viele Blut übel zugerichtet aussah, erzählte ich Regine von den Plänen, einen Verein zu gründen und so die weitere Versorgung der schwer zu vermittelnden Wellensittiche mit Handicap sicherzustellen. Sie war sofort begeistert und sagte auch direkt zu, sich mehr in den Verein einbringen zu wollen, denn sie war sehr angetan von den Möglichkeiten, die eine derartige Einrichtung für Franzi und andere Bewohner mit ihren unterschiedlichsten Bedürfnissen bot. So waren im Mai 2014 dann acht tierliebe Menschen beisammen, den Verein „Hürdenwellies“ zu gründen.
Franzi indes bekam eine Halskrause verpasst, damit ihre Wunde unter dem Flügel gut verheilen konnte. Weil sie so nicht fliegen konnte, zog sie gemeinsam mit Männlein in ihre alte Voliere, die sich nun nicht nur als geräumiger Krankenkäfig erwies, sondern auch als idealer Rückzugsort für das junge alte Liebespaar. Alle paar Stunden öffnete ich die Tür, damit Männlein ein paar Runden fliegen konnte. Er flog aber immer nur geradewegs zu den Futterplätzen und deckte sich ein, um direkt danach wieder zu Franzi in die Voliere zu klettern und sie zu füttern und umsorgen. Anderes Futter ist ja immer besser als das eigene, selbst wenn es aus der gleichen Packung kommt.
Aus den zwei Wochen, die die Halskrause draufbleiben sollte, wurden am Ende fünf, denn Franzi knabberte ohne den Schutz immer wieder an ihrer Wunde herum, die nach der mehrtägigen und schließlich wochenlanger Isolierung auch fürchterlich jucken musste. Männlein half ihr bei der Reinigung, auch Sprühflasche, Tupfer und Tücher kamen zum Einsatz, verschafften ihr aber offenbar nicht ausreichend Abhilfe. Doch irgendwann endlich war es soweit, die blöde Halskrause konnte ab und Franzi wieder ein paar ordentliche Runden drehen und sich ausgiebig putzen. Was für eine Wohltat!
Männlein ging es nach diesen Wochen nicht ganz so gut. Er hatte vorher schon massive Nierenprobleme, und durch den langen Aufenthalt im Krankendomizil hatte er trotz seiner Ausflüge einiges an Gewicht zugesetzt. So hatte sich in der Zeit auch Wasser in der Lunge angesammelt, das ihm immer größere Probleme bei Anstrengungen bereitete. Jetzt war es Franzi, die ihren Schatz umsorgen und verwöhnen konnte. Männlein genoss diese Behandlung sichtlich, doch nach einigen Wochen schaffte sein Körper es nicht mehr, so ging er schließlich im Kreis seiner Liebsten und Freunde.
Franzi war darauf vorbereitet, denn es hatte sich ja lange angekündigt. Dennoch nagte sie erneut ihre Wunde auf und musste gleich wieder ihre Halskrause anziehen. Nur saß sie diesmal alleine in ihrer Voliere. Zeitweise schien sie die Ruhe dort zu genießen, denn mit Männleins Tod ist junger Nachwuchs in der Pflegestelle eingezogen, der Franzis Nervenkostüm stark beanspruchte. Aber schließlich wurde ihr auch sichtlich zu langweilig auf Dauer. Gustav, mit dem sie sich seit Männleins Tod recht gut verstand, besuchte sie gern, fütterte sie auch durch das Gitter und leistete ihr Gesellschaft. Aber rein wollte er auf gar keinen Fall, die wenigen Flüge und Spaziergänge, die er noch machen konnte, wollte er auch nicht aufgeben, und bei seiner gesundheitlichen Verfassung war es so sicher auch richtig, ihm ständig diese Möglichkeit zu lassen, nicht nur zeitweise.
So setzte ich Fußgänger Chico zu ihr in den Käfig, den kleinen sächsischen Charmeur, der alle lieb hat und sich immer sehr freut, wenn seine Liebe erwidert wird, der gerade aber solo war. Er legte gleich los, doch Franzi wollte seine Zuneigung nicht. Vermutlich war ihr der kleine siebenjährige Kerl einfach noch zu lebhaft.
Aber die Möglichkeiten der Pflegestelle waren damit noch nicht erschöpft, und so zog die vorübergehend flugeingeschränkte Omi mitsamt Halskrause zu den Fußgängern. Manchmal zieht sie sich in abgeschiedene Bereiche der Fußgängervoliere zurück, manchmal lässt sie sich von Gustav durch die Gitter anflirten, meistens sitzt sie aber inmitten der anderen eingeschränkten Hägaren und genießt deren Gesellschaft und Sicherheit. Es ist nicht klar, ob Franzi je noch einmal länger ohne Halskrause sein kann. Gelegentlich probieren wir es, ein paar Tage geht es gut, dann wieder nicht. Doch sie kann sich ausprobieren, diese Möglichkeiten hat sie in einer Pflegestelle wie Hägarien.
(Hürdenwelli Chico)
Nach der Gründung des Vereins dauerte es übrigens noch etwa drei Monate, bis die Gemeinnützigkeit des Vereins vom Finanzamt anerkannt und der Verein als „Hürdenwellies e.V.“ ins Vereinsregister eingetragen war. Jetzt will der Verein natürlich wachsen – Franzi hat eine Patin, Männlein und Gusti nicht und viele von Franzis neuen Freunden ebenso nicht. Doch auch sie werden natürlich medizinisch versorgt, je nach ihren momentanen Bedürfnissen, und diese Kosten hilft der Verein mitzutragen.
An Franzis Beispiel zeigt sich sehr deutlich, welche Vorteile es hat, verschiedenste Unterbringungsmöglichkeiten an einem Ort zu haben, mit einem sehr erfahrenen Betreuer, der die Bedürfnisse seiner Schützlinge erkennt und gleich reagieren kann. Ich als einer von hoffentlich bald mehr solcher Betreuer erhalte neben den tierärztlichen und finanziellen Hilfen bei den Behandlungskosten auch ganz viel Rat und moralische Unterstützung durch den Verein und seine Mitglieder, denn es ist nicht immer leicht, schwerkranke und gerade sehr behandlungsintensive Tiere, die einem besonders an Herz gewachsen sind, gehen zu lassen. Durch die Fachleute des Vereins im Kuratorium bekomme ich immer wieder auch Tipps zu Behandlungsmöglichkeiten, falls die Schulmedizin nicht greift, und ich bin dankbar dafür, dass immer wieder auch Besuch aus dem Kuratorium kommt und mit neutralen und auch kritischen Blicken auf die Haltung schaut, damit ich nicht irgendwann einmal betriebsblind Offensichtliches übersehe.
Bei der Aufnahme von Betreuungsvögeln habe ich in bestimmten Grenzen völlig freie Hand. Einige Vögel kann ich einfach nicht aufnehmen, weil sie akut ansteckende Krankheiten oder Parasiten mit sich tragen, die die übrigen Bewohner gefährden könnten, weil vor einem Umzug erst einmal eine Operation am Tier durchgeführt werden müsste, der Vogel in zu schlechter Verfassung für den Umzugsstress ist und man erst nach der Genesung nachsehen kann, ob ein größerer Zimmerschwarm wie der hägarische überhaupt das Richtige für das geschwächte Tier ist.
Und manchmal ist das Vogelzimmer auch einfach nur voll, und das ist der traurigste Zustand von allen. Denn es kommen immer wieder Anfragen und Hilfegesuche aus ganz Deutschland, etliche aufgrund ihrer Einschränkungen ganz schwer vermittelbare Wellies müssen wochenlang teils in Einsamkeit warten, bis sie irgendwo einen geeigneten Platz finden.Das ist etwas, was wir mit dem Verein und durch ihn gern bald ändern möchten, doch dazu sind wir noch zu wenige. Jedes neue Mitglied hilft durch seine geringen Monatsbeiträge von 3 €, die Betreuung der bereits vorhandenen und neuer Hürdenwellies zu bezahlen. Jede Patenschaft für einen Vogel entlastet den Verein, auch wenn monate- oder gar jahrelang keine Kosten anfallen werden. Und jede Spende, gleichgültig ob Futter, Voliere, Spielzeug, Nage- und Beschäftigungsmöglichkeit für die chronisch unausgelasteten Fußgänger oder als Geldspende, die allein in die Behandlung der Vögel geht, hilft, künftig die Unterstützung weiterer Endpflegeplätze zu ermöglichen, denn die Konzentration vieler kranker und bedürftiger Vögel an einem Ort zieht immense Kosten für den Halter nach sich.
Ziel des Vereins soll nicht weniger sein, als so rasch wie möglich eine gute Versorgungslage für eingeschränkte Wellensittiche in ganz Deutschland sicherzustellen, mit mehreren Endpflegestellen über das ganze Land verteilt, die kurze Umzugs- und Besuchsfahrten sowie vor Allem geringe bis keine Wartezeiten auf einen Platz ermöglichen. Damit nicht nur Franzi alle Möglichkeiten der Versorgung erhält und Regine sie mindestens zwei Mal im Monat besuchen kann, sondern es anderen Hürdenwellies und ihren Haltern es ebenso ergeht.
Deshalb freuen wir uns über jede Hilfe, über Spenden, Paten- und Mitgliedschaften! Und weitere Informationen und die Kontaktdaten gibt es unter Hürdenwellis oder aber bei den bei den welli.net Usern Hägar, xKatjesx und Miss Kalashnikov.
Franzi, ihre 24 Mitbewohner und alle zukünftigen Hürdenwellies sagen Vielen Dank!
Der Artikel wurde am 01.10.2014 von Hägar veröffentlicht in der Kateogie: Allgemeines im Blog.
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Geiermama5 aus 45549 Sprockhövel (01.10.2014 - 18:40)
Liebe Ive, vielen Dank für den schönen Artikel, so kann ich die Hürdenwellis viel schneller und besser kennenlernen! Und einen ganz lieben Dank an Andreas und die anderen Gründungsmitglieder für dieses tolle Projekt!
Ive84 aus Waghäusel (01.10.2014 - 19:09)
Hallo Barbara - Der Artikel geht nicht auf mein Konto sondern stammt aus der Feder von Andreas ;)
Geiermama5 aus Sprockhövel (02.10.2014 - 08:56)
Liebe Ive, da habe ich mich echt dumm ausgedrückt, ich weiß schon dass Andreas den Artikel geschrieben hat, ich wollte Dir danken dass Du ihn in den Blog gesetzt hast
Stefanie aus Bad Vilbel (02.10.2014 - 13:41)
Toller Artikel, tolle Idee. Danke Andreas!