Medikamentengabe - Das tägliche Grauen?
Wir, mein Mann und ich, halten seit 4 Jahren Wellensittiche. Angefangen haben wir mit zwei Hähnen und nach einem Jahr auf vier Wellis aufgestockt. Das erste Jahr mussten wir zu keinem Tierarzt, die beiden Wellis waren gesund. Leider hat sich das geändert und momentan geben wir vier Wellis zweimal täglich Medizin in den Schnabel. Mit der Zeit und auch je öfter wir das machen, umso mehr Routine haben wir bekommen bei der Medikamentengabe. Trotzdem sind wir vorher immer noch aufgeregt.Ich möchte euch von unseren Erfahrungen in den drei Jahren berichten. Klar ist eines, ich gebe nicht gerne Medizin und meine Wellis mögen es nicht. Sie müssen aber ihre Medizin erhalten, nur so können sie gesund werden.
Am Anfang unserer Welli-Zeit haben wir einige Fehler gemacht:
- Beim Fangen war es zu hell und die Wellis sind immer geflohen.
- Wir haben sie gefangen, als sie geschlafen haben und danach hatten wir immer wieder Nächte mit Night Frights.
- Weil wir es nicht geschafft haben einen Welli zu fangen, ist einer unserer Wellis viel zu spät zum vogelkundigen Tierarzt gekommen und dann leider verstorben.
Aller Anfang ist schwer und ich war immer viel zu zögerlich. Seit mein Mann die Wellis fängt, funktioniert es viel besser.
Wie fangen wir unsere Wellis?
Wir fangen die Wellis zu zweit. Einer fängt und hält den Welli, der andere verabreicht die Medizin über eine Spritze (Einmalpritze 1ml mit Luer-Ansatz ohne Nadel) in den Schnabel. Wir fangen den Welli mit der Hand, haben aber auch schon mit dem Kescher gefangen. Tagsüber lassen wir die Jalousien runter, so dass es sehr dunkel ist, aber wir Menschen noch genügend sehen, um den Welli zu fangen. Ich stehe dann schon direkt am Lichtschalter, falls sie Panik bekommen und im Dunklen los fliegen sollten. Falls es immer noch zu hell sein sollte und zu viel Licht durch den Flur einfällt, dann hänge ich die Tür mit Glaseinsatz mit einer Decke ab. Es ist von der Jahreszeit abhängig, ob wir Abdunkeln müssen. Im Sommer ist es morgens früh hell und abends lange hell. Da kommen meist die Jalousien zum Einsatz. In den anderen Jahreszeiten warten wir bis es dunkel geworden ist.Mein Mann fängt den Welli dann mit der Hand. Handschuhe hat er nicht an. Er nähert sich und greift dann zügig zu. Wenn sie auf einem hohen Ast sitzen und er so nicht bei kommt, dann steigt er auf einen Stuhl.
Das Fangen mit dem Kescher haben wir auch im Dunklen gemacht. Den Kescher haben wir vor einen sitzenden Welli gehalten und ihn von hinten mit etwas an geschubst. So ist er direkt in den Kescher geflogen. Die Versuche im Flug einen Welli zu Keschern haben wir sehr schnell aufgegeben. Viel zu groß ist die Gefahr mit dem Kescher einen Welli zu verletzen.
Während dem Fangen spreche ich mit den Wellis. Ich habe immer das Gefühl, dass meine Stimme sie beruhigt und sie wissen, dass sie im plötzlich dunklen Zimmer keine Angst haben müssen.
Keiner ist perfekt und nicht immer lässt sich ein Welli sofort einfangen. Man sollte ihn dann nur nicht jagen und im Zimmer hin und her hetzen. Dann lieber einmal die Medikamentengabe ausgelassen. Es kann auch helfen, wenn man wartet, dass die Wellis abends müde werden und nicht mehr so aktiv sind. So sind sie ruhiger und man kann sie leichter fangen.
Wie verhalten sich unsere Wellis?
Jeder Welli hat seinen eigenen Charakter, der eine ist neugierig, ein anderer viel am Quasseln. So ist es auch bei der Medikamentengabe, jeder Welli verhält sich anders. Keinem gefällt es und keiner kommt freiwillig in die Hand geflogen. Wenn bei uns die Jalousien runtergehen und das Licht ausgemacht wird, dann kommt von allen Wellis ein Warnruf. Manchmal hüpfen sie auch noch schnell auf den höchsten Ast.Sunny …
ist einer unserer verstorbenen Wellis. Er hatte sehr große Angst vor uns Menschen und hat die auch nach zwei Jahren bei uns nicht abgelegt. Ohne etwas zu sehen ist er wie wild im Dunklen geflogen. Bei ihm hatte man keine Chance mit der Hand im Dunklen näher zu kommen. Ihn haben wir immer mit einem Kescher gefangen. Aber nach dem er unseren Trick erst mal kannte, hat es auch nicht jedes Mal funktioniert. Er hatte, auch wenn er keine Medikamente bekommen hat, immer Angst wenn die Jalousien runter gemacht wurden. Auch wenn wir sie im Sommer nur ein Stück wegen der Sonne runtergelassen haben. Sunny hat dann erst mal die Federn angelegt und mit den Flügeln gezittert. Wenn er nach ein paar Minuten gemerkt hat, dass keiner was von ihm will, dann hat er sich wieder entspannt.
Kleiner …
lässt sich sehr schwierig fangen. Er fliegt auch schon mal im Dunklen einfach los, nur um der Hand zu entweichen. Bei ihm muss es fast komplett dunkel sein, ansonsten hat man keine Chance ihn zu bekommen. Wenn man ihn aber erst mal hat, ergibt er sich seinem Schicksal bleibt meist ruhig in der Hand liegen.
Niko …
ist ein stolzer Hahn mit leider ein paar Gramm zu viel. Er versucht sich, genau wie Karl, aus der Hand zu drehen und zu beißen. Ist dabei aber nicht so forsch wie Karl und kann meist schnell in der Hand fixiert werden. Gibt man ihm die Chance, dann beißt er kräftig zu. Ihn stresst das Fangen sehr und er fängt an schwer zu atmen und nach Luft zu pumpen. Dann wird er sofort freigelassen. Er benötigt meist ein paar Minuten um sich wieder zu beruhigen.
Karl
Der Schecke ist unser erster Welli, der für Hirse sofort vom ersten Tag an auf die Hand gehüpft ist. Er hatte keine Angst und keine Scheu. Beim Einfangen bleibt er ganz ruhig sitzen und lässt die Hand relativ einfach zu packen. Nur dann geht es los. Er klammert sich mit den Krallen am Ast fest. Wenn man ihn dann komplett in der Hand hat, dann beißt er zu, auf alles was er zwischen seinen Schnabel bekommt. Er windet sich und versucht sich in der Hand zu drehen. Selbst wenn man seinen Körper gut fixiert hat, stößt sein Kopf nach vorne und versucht zu beißen. Er versucht sich mit allen Mitteln aus dem Fixiergriff zu entwinden, dreht und wendet seinen Kopf. Bei ihm muss man etwas fester zu greifen, ansonsten bleibt er nicht ruhig.
Sobald er die Spritze mit der Medizin sieht, fängt er laut an zu Schreien und Zetern. Seinen Schnabel öffnet er auch nicht freiwillig. Wir haben mit einem Wattestäbchen ganz gute Erfolge und haben ihn dort drauf beißen lassen.
Momentan habe ich eine Euterkanüle auf die Spritze aufgesetzt. Die hat einen sehr kleinen Durchmesser und man kann ganz gut ohne weitere Hilfsmittel ihm die Medizin einspritzen. Seit wir ihn regelmäßig fangen müssen, ist er nicht mehr ganz so zutraulich. Er nähert sich der Hand mit Hirse sehr vorsichtig. Aber meist nach ein paar Tagen ist die Gier größer als die Angst und er kommt wieder zu uns.
Snow
Die weiße Henne ist sehr entspannt und kann auch im Halbdunklen gut gefangen werden. Sie meckert nicht und lässt alles schnell und schmerzlos über sich ergehen. Den Schnabel macht sie aber auch nicht gerne auf. Da hilft es wenn mein Mann ein bisschen seinen Finger dazu nimmt, fest zugebissen hat sie bisher zum Glück noch nie.
Wenn noch weitere Wellis gefangen werden müssen, dann setzen wir die Wellis im Dunklen wieder auf einen Ast. Falls sie doch los fliegen sollten, dann stehe ich am Lichtschalter bereit. Bei Snow dauert das Absetzen immer besonders lang. Sie macht es sich oft auf Jörgs Händen gemütlich und hinterlässt auch schon mal ein kleines Geschenk für ihn. Die letzten Male ist sie sogar seinen Arm hoch gelaufen und saß auf seiner Schulter. Nach einigen Minuten konnte er sie dann auf einen Ast absetzen.
Wie verabreichen wir die Medizin?
Wenn man die Hürde genommen hat und den Welli in der Hand hat, dann kommt die nächste Schwierigkeit. Wie bekomme ich die Medizin in ihn rein? Es gibt unterschiedlich große Spritzen, die haben auch vorne einen unterschiedlich großen Durchmesser. Je kleiner, umso besser ist es natürlich Medizin in den Schnabel zu bekommen.Helfen kann auch zusätzlich ein dünner Plastikaufsatz, der auch Euter- oder Zitzenkanüle genannt wird. Die hat einen ganz kleinen Durchmesser und so kann man leichter die Medikamente verabreichen.
Wellis haben seitlich oben am Schnabel eine kleine Öffnung. Wenn der Welli seinen Schnabel gar nicht öffnen möchte, dann sollte man versuchen die Medizin in die kleine Öffnung zu spritzen. Helfen kann auch ein dünner Ast oder ein Wattestäbchen, auf das der Welli drauf beißt. Bei der Gabe von Amphomoronal gegen Megabakterien ist meist ein bisschen davon danebengegangen und ich habe den Welli mit einem nassen Wattestäbchen leicht gereinigt. Ansonsten verklebt das Gefieder zu stark.
Damit er es nicht direkt wieder ausspuckt, reize ich während er noch in der Hand liegt seinen Schluckreflex. Ich streiche ganz vorsichtig direkt unter seinem Schnabel über seinen Hals.
Nach der Medikamentengabe
Bei jedem Welli geht meist ein kleiner Teil der Medizin nicht in den Schnabel, sondern auch schon mal daneben ins Gefieder. Alle meine Wellis sitzen nach der Medikamentengabe da und putzen sich die Schnäbel. Manche machen Schluckbewegungen, Karl schüttelt seinen Kopf und versucht das grauselig schmeckende Zeugs wieder los zu werden.Manchmal sitzen sie auch völlig fertig auf den Ästen, legen ihre Federn an und spreizen ihre Flügel ab. Nach wenigen Minuten haben sie sich aber wieder beruhigt und plustern sich wieder auf.
Die benutzen Spritzen spüle ich nach dem Gebrauch mit heißem Wasser aus, von außen wische ich sie mit einem Haushaltstuch ab und lasse sie dann weiter trocknen. Wenn man mehrere vom vkTa mitbekommen hat, dann kann man nach ein paar Tagen die Spritzen tauschen. Ansonsten kann man auch in der Apotheke eine Großpackung kaufen. Wichtig ist, dass man darauf achtet, dass die Spritzen steril bzw. gut gesäubert sind. Um eine Gabe von Keimen durch die Spritze zu verhindern, ist es ratsam diese nicht zu oft zu benutzen und lieber jeden oder jeden zweiten Tag auf eine neue zurückzugreifen.
Nicht jede Medikamentengabe läuft gleich ab. Nachher bin ich immer erleichtert wenn es vorbei ist … bis zum nächsten Mal.
Ich wünsche euren Wellis ganz viel Gesundheit und für eine lange Zeit keine Medikamentengabe.
Der Artikel wurde am 24.03.2015 von MelliW veröffentlicht in der Kateogie: Gesundheitsblog.
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Stubenfalke aus Ferdinandshof (25.03.2015 - 14:47)
Das ist sehr schön anschaulich undf ausführlich beschrieben ,da kann man sich ganz gewiß den einen oder anderen Trick abschauen .
Danke dafür .
Danke dafür .
Rotkäppchen-Wellis aus Schwalm-Eder-Kreis (02.04.2015 - 22:40)
Sehr schön geschrieben und hilfreich! Einfach toll, wie Ihr 2 das so hinbekommt. Eure Schätzchen danken es Euch! Danke für den Bericht!
Rotkäppchen-Wellis aus Schwalm-Eder-Kreis (02.04.2015 - 22:44)
Ich habe vergessen die Fotos zu loben! Einfach nur klasse das Foto vom kopfschüttelnden Karl! Und genauso klasse das Foto mit den Spreizflügelmäusen!
BeateRS aus Hammelburg (26.04.2015 - 13:24)
Leider sind meine 25 Wellis in einer großen Voliere - da ist das Rausfangen ohne Kescher gar nicht möglich. Aber ich habe darin auch schon Routine und die Erfahrung dass sie - wenn ich sie im Flug oder am Gitter erwische und sie in den Käscher rutschen, erst mal relativ ruhig drin sitzen. Manchmal ist das Entfernen der Krallen aus dem gewebe etwas schwierig, aber auch hier mach Übung und Vorsicht den Meister. Mich hätte noch interessiert, welche Medikamente ihr jeden Tag verabreichen müsst und wogegen. Liebe Grüße!
MelliW aus Fulda (26.04.2015 - 14:52)
Hallo Beate,
ja, in einer großen Außenvoliere ist es mit dem Abdunklen schwierig. :-) Aber schön zu hören, dass es bei dir mit dem Kescher so gut funktioniert. Bei uns haben sich die Krallen auch immer im Gewebe verhakt. Da muss man ganz schön fummeln, bis man die Krallen vorsichtig vom Gewebe getrennt hat.
Unsere Wellis mussten 4 Wochen lang Nystatin gegen Hefepilze nehmen. Kleiner haben wir 8 Wochen Amphomoronal gegen Megabakterien gegeben.
Viele Grüße
Melanie
ja, in einer großen Außenvoliere ist es mit dem Abdunklen schwierig. :-) Aber schön zu hören, dass es bei dir mit dem Kescher so gut funktioniert. Bei uns haben sich die Krallen auch immer im Gewebe verhakt. Da muss man ganz schön fummeln, bis man die Krallen vorsichtig vom Gewebe getrennt hat.
Unsere Wellis mussten 4 Wochen lang Nystatin gegen Hefepilze nehmen. Kleiner haben wir 8 Wochen Amphomoronal gegen Megabakterien gegeben.
Viele Grüße
Melanie
Welliliebe aus Schwentinental (02.02.2020 - 19:38)
Bei uns klappt es mit der Medikamentengabe zum Glück ganz gut. Unser Opa Oskar ist ein Sanfter und nimmt - einmal in der Hand - die Medizin dann freiwillig von der Spritze. Unser kleiner Wirbelwind Felix ist da etwas anstrengender: ich habe schon manchen Schnabelhieb abbekommen. Erstmal in der Hand, macht er aber auch gut mit. Leider kommen wir nicht ohne Medizin aus - Going light ist unser ständiger Begleiter.
MelliW aus Fulda (02.02.2020 - 21:39)
Hallo Welliliebe, freut mich, dass die Medizingabe bei euch gut funktioniert. Alles Gute für deine Lieben und hoffentlich bleiben sie lange vor dem nächsten Schub verschont.
Welliliebe aus Schwentinental (02.02.2020 - 22:24)
Liebe MelliW, vielen Dank für Deine lieben Worte. Leider haben wir Ampho als Dauermedikation. Oskar hatte vor zwei Wochen einen Schub und hat eine Spritze Antibiotikum bekommen. Wir werden es einfach nicht mehr los. Vielleicht liegt es auch am Alter....? Ich hoffe auch, dass wir nicht so schnell wieder zum Tierarzt müssen. Herzliche Grüße
Welliliebe aus Schwentinental (03.02.2020 - 13:35)
Liebe MelliW, danke für Deine liebe Antwort. Das mit Schluckreflex kannte ich noch nicht. Das werde ich nachher gleich mal bei Felix ausprobieren. Bei Oskar funktioniert die Medizingabe problemlos - der Sanfte ist echt hart im nehmen.
Gundel aus Köln (19.12.2020 - 21:37)
Leider habe ich Rheuma in den Fingern, so dass ich keinen Vogel länger halten kann. Die meisten meiner Vögel fressen Medikamente von einem durchsichtigen Plastiklöffel mit Kolbenhirse, von der ich die Körnchen sorgfältig abgetrennt habe. Nach Jahren der Erfahrung muss auf dem Löffelchen die 2 bis 2,5fache Menge an Medikament gegeben werden. Allerdings gibt es Medis, die furchtbar eklig schmecken - da funktioniert die Methode nicht. Metacam zum Beispiel klappt gut. Von Zeit zu Zeit übe ich das KoHi-Fressen vom Löffelchen mit allen, damit es im Ernstfall auch klappt.
Gundel aus Köln (19.12.2020 - 21:42)
Nachtrag: Das war vielleicht etwas mißverständlich: Natürlich kommen auf das Löffelchen nur die sorgfältig von der KoHi abgetrennten Körnchen - ich puste vorsichtig alles Überflüssige weg, damit das Medikament nur auf Körner trifft.
MelliW aus Fulda (20.12.2020 - 12:48)
Hallo Gundel, vielen Dank für deine Erfahrungen. Super, dass du deine Wellis mit Training dazu bekommst das Medikament zu nehmen. Ist so natürlich viel streßfreier für sie.
BeKiSa aus Köln (25.02.2022 - 22:31)
Danke für die Tipps. Dann gehts hoffentlich beim nächsten Mal stressfreie.