Wie wird mein Wellensittich zahm?
Diese Frage stellen sich viele (neue, aber auch schon erfahrene) Wellensittichhalter. Eigentlich ist die Frage aber falsch gestellt. Sie muss natürlich lauten: "Wie werden meine Wellensittiche zutraulich?" ;)Wellensittich sind Schwarmtiere und sie brauchen mindestens einen Artgenossen an ihrer Seite, um sich wohl zu fühlen. Dass nur Einzelvögel zutraulich werden könnten, ist aber ein Gerücht, das dank zahlreicher Gegenbeispiele in Form neugieriger Minischwärme widerlegt werden kann.

Was heißt überhaupt "zahm"?
Diese Frage sollte man sich schon vor der Anschaffung stellen: Will ich unbedingt einen Wellensittich, der mir folgt wie ein Hund, sich bereitwillig kraulen lässt und vielleicht sogar spricht? Falls ja, sollte man lieber Abstand von der Vogelhaltung nehmen. Wellensittiche sind in erster Linie Fluchttiere und in der Regel nicht erpicht auf intensiven Körperkontakt. Auch wenn die kleinen Australier sehr zutraulich werden können, sind sie keine Kuscheltiere und wer solche Erwartungen hat, wird zwangsläufig enttäuscht werden. Wer - was ja durchaus verständlich ist - eine sehr enge Bindung zu seinem Haustier möchte und es gerne streicheln und liebkosen will, ist mit einem Hund oder einer verschmusten Katze besser beraten.Wellensittiche sind Tiere zum Beobachten und ihr Halter sollte vor allem Lust haben, sich tolle Beschäftigungsideen für sie auszudenken und ihrem munteren Treiben zuzusehen. Es kann passieren, dass die eigenen Wellis nie eine Hand in ihrer Nähe zulassen - das muss man dann akzeptieren und sollte nicht traurig sein, denn man kann trotzdem sehr viel Freude an seinen Sittichen haben!
Was aber mit Geduld und Kolbenhirse die meisten Wellensittiche lernen, ist, ohne Angst sitzen zu bleiben, wenn man sich ihnen nähert, und die meisten trauen sich auch früher oder später, den Finger ihrer Federlosen zu erklimmen. Dieses Verhalten kann und muss von den Wellensittichen freiwillig gezeigt werden - um diese Freiwilligkeit zu betonen, reden viele Wellensittichhalter auch von "zutraulich" statt "zahm".
Vertrauen schaffen
Um seinen neu eingezogenen Wellensittichen die Furcht zu nehmen, muss alles unterlassen werden, was sie verängstigt und nicht zwingend notwendig ist. Das bedeutet, dass die Vögel nicht gegen ihren Willen berührt oder gar in die Hand genommen werden. Dass es tabu ist, gegen den Käfig zu schlagen oder ähnliches versteht sich hoffentlich von selbst! Außerdem sollte in den ersten Tagen nicht im Käfig umgeräumt werden, die Säuberungsarbeiten sollten sich auf ein Minimum beschränken.Wenn die Wellensittiche noch sehr ängstlich sind, kann man sich behutsam dem Käfig bzw. der Voliere nähern. Sobald die Vögel unruhig werden und auf ihren Ästen herumtippeln, das Gefieder anlegen oder nervös mit den Flügeln zucken, muss man stehen bleiben, bis sie sich beruhigt haben. Stück für Stück kann man sich so immer weiter nähern - bis die Vögel auch entspannt sitzen bleiben, wenn man direkt vor dem Käfig steht.
Dabei kann man freundlich mit den Vögeln sprechen oder pfeifen - oder aber auch nichts sagen und stattdessen das Radio anmachen.
Absolute Stille sollte man vermeiden, denn diese ängstigt Wellensittiche. Als Schwarmtiere verspricht ihnen eine Geräuschkulisse die sichere Nähe eines großen, entspannten Wellensittichschwarms, und wenn man keinen größeren Schwarm hält, kann man mit ein paar künstlichen Geräuschen nachhelfen.
Der erste Kontakt mit der Hand
Wenn die Wellensittiche sich in ihrem Zuhause eingewöhnt haben und die Gegenwart ihrer Futtergeber sie nicht mehr ängstigt, ist es der richtige Zeitpunkt gekommen, Bekannschaft mit der Hand zu machen. Ein besonders günstiger Zeitpunkt ist der späte Nachmittag, wenn die Wellensittiche sich schon ein wenig ausgetobt haben und in einer entspannten, aber spielfreudigen Stimmung sind. Dann kann man sich vorsichtig dem offenen Käfigtürchen nähern, wobei man natürlich eine leckere Bestechung in der Hand haben sollte! Besonders beliebt ist bei so gut wie allen Wellensittichen Kolbenhirse. Aber auch ungespritzte Kräuter oder Gemüse erfreuen sich bei vielen Wellensittichen großer Beliebtheit.In den Käfig hinein sollte man nicht greifen, denn dies ist der Zufluchtsort der Wellensittiche, in dem sie ihre Ruhe haben möchten. Auch am Käfigeingang wird sich früher oder später ein mutiger Wellensittich einfinden, um von der Hirse zu naschen!
Noch besser ist es, sich den Wellensittichen während des Freiflugs zu nähern. Ihren ersten Freiflug dürfen die Wellensittiche natürlich nicht erst genießen, wenn sie handzahm sind - den Rückweg finden sie auch vorher schon!

Damit die Vögel einen Anreiz haben, sich der Kolbenhirse zu nähern, sollte man die Wellensittiche nicht unmittelbar vorher gefüttert haben. Es ist aber sehr, sehr wichtig, dass man die Wellensittiche niemals mit Futterentzug dazu zwingt, von der Hand (oder gar nicht) zu fressen! Das ist nicht nur Erpressung, sondern auch gefährlich für den schnellen Vogelstoffwechsel! Es muss auf jeden Fall genug Futter zur Verfügung stehen, dass der Wellensittich zwar Appetit auf einen Leckerbissen hat, aber nicht durch Hunger gezwungen ist, sich gegen seinen Willen zu nähern.
Wenn der erste Wellensittich näher rückt und vorsichtig mit langem Hals an der Kolbenhirse zu knabbern beginnt, hat man schon so gut wie gewonnen. Es ist wichtig, jetzt nicht vor lauter Aufregung mit der Hand zu zucken ;) Erstmal sollte der Wellensittich in Ruhe futtern dürfen, ohne auf die Hand zu klettern. Der Partnervogel oder die Schwarmkollegen werden sich vermutlich ein Beispiel an dem "Vorreiter" nehmen und bald ihre Scheu ebenfalls überwinden.
Auf den Finger klettern
Wenn die Wellensittiche von der Kolbenhirse fressen, während sie auf dem Ast sitzen, ist der nächste Schritt, sie auf den Finger steigen zu lassen. Dafür nimmt man die Hirse z. B. zwischen Daumen und Mittelfinger und streckt den Zeigefinger auf, sodass der Wellensittich auf den Finger klettern muss, um zu fressen. Anfangs wird er einen langen Hals machen und es anders versuchen. Dann kann man die Hirse wieder etwas näher halten, sodass er noch einen Bissen abbekommt, und dann die Hand wieder ein Stückchen wegziehen und so den Abstand vergrößern.Irgendwann wird sich ein Wellensittich trauen, das Füßchen auf der Hand abzustützen. Das sollte man sofort belohnen, indem man ihn futtern lässt. In einem weiteren Schritt zieht man die Hand noch ein Stückchen weiter weg, damit der Wellensittich sein Gewicht auf die Hand verlagert und sich richtig auf den Finger setzt. Von hieraus kann er in aller Ruhe futtern - es sei denn, der zweite (oder dritte oder vierte...) Wellensittich möchte auch was abhaben! In diesem Fall muss man auch in der zweiten Hand etwas Leckeres anbieten oder den Arm zum Aufsteigen anbieten, denn schließlich sollen alle neugierigen Sittiche auf ihre Kosten kommen!

Vertrauen stärken
Trauen sich die Wellis erstmal, auf der Hand zu sitzen und zu futtern, kann man die Beziehung zu ihnen immer weiter vertiefen. Damit die Vögel nicht zu dick werden, sollte man nicht mehr allzu oft mit Kolbenhirse locken, sondern lieber auf kalorienärmeres Grünfutter zurückgreifen.Nach einer Weile werden die Vögel auch auf der Hand sitzen bleiben, wenn sie satt sind. Dann kann man versuchen, ihre Neugier auf andere Weise zu wecken. Meine Wellensittiche mögen es z. B., wenn ich den Daumen hochstrecke und sie daran knabbern dürfen. Außerdem liefern sich manche Wellis begeistert kleine Ringkämpfe mit der Hand! Auch Ärmel und Uhrenarmbänder haben auf manchen Wellensittich eine geradezu unwiderstehliche Anziehungskraft... Wenn man Glück hat, erklimmen die Tiere irgendwann sogar den Arm oder die Schulter.

Auch Haare lieben viele Wellensittiche und beknabbern sie hingebungsvoll... selbst auf den Kopf klettern manche Wellensittiche gern, dann muss man allerdings damit rechnen, dass man nachher die Haare waschen muss ... ;)
Manche Wellensittiche lernen sogar kleine Tricks oder arbeiten mit Clickertraining. Aber nicht alle Wellis kommen so weit und dann sollte man es auf sich beruhen lassen: Denn jeder noch so kleine Vertrauensbeweis ist schon ein großes Geschenk seiner Wellensittiche, auf das man stolz sein darf :)
Der Artikel wurde am 08.08.2011 von Blueberry veröffentlicht in der Kateogie: Haltungsblog.
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Anna-Katharina aus Mommenheim (08.10.2012 - 18:40)
Hallo Blueberry,
Milly ist heute schon zweimal mit ihren beiden Füßchen auf meinen Finger geklettert:) Und Anton ist schon mutiger geworden. Ich bin soo glücklich;)
Milly ist heute schon zweimal mit ihren beiden Füßchen auf meinen Finger geklettert:) Und Anton ist schon mutiger geworden. Ich bin soo glücklich;)