Bilbo - hin und wieder zurück
Es ist schon seltsam, da fliege ich hier so fröhlich herum und genieße das Leben mit all den lieben Mitflauschis. Ich habe schon einige geliebte Wellis hier wiedergetroffen und viele Neue kennen und lieben gelernt, und doch muss ich immer wieder zurückdenken. Liegt es daran, dass meine letzte Federlose noch so oft an mich denkt? Oder war meine Aufgabe noch nicht ganz erfüllt? Irgendwie habe ich in letzter Zeit das Bedürfnis mein Leben und einige meiner Geschichten mal niederzuschreiben und diese in die Welt zu entlassen. Dabei wurde ich doch schon 2006 über die Regenbogenbrücke gerufen.Wo soll ich nur anfangen? Es war einmal, eine kleine private Zucht, in der ich mühselig die Schale meines kleinen Eis aufgepickt habe. Das war... lasst mich nachdenken... es ist schon so lange her, 1993 muss das gewesen sein. Dort durfte ich auch die ersten Monate meines Lebens verbringen und erlebte meine erste große Liebe. Sie war so schön! Sie hat mein Herz im Sturm erobert und wir zusammen die Voliere. Ja, dass waren unbeschwerte Tage. Bis eines Tages eine kleine Familie kam und wir umziehen mussten. Das hat uns gar nicht so richtig gefallen. Unser neues Heim war nicht mehr so geräumig und hatte ganz doofe weiße Gitterstäbe durch die man gar nicht richtig seine Umgebung sehen konnte. Fliegen oder auch nur Flügel ausbreiten war in dieser kleinen Zelle nicht mehr möglich. Wäre meine geliebte Henne nicht gewesen, hätte ich diese Zeit nicht aushalten können.
Immer wollten diese komischen kleinen Federlosen, dass wir zu denen auf die Hand kommen und so. Wir wurden so bedrängt, furchtbar! Immer in dieser Angst zu leben, wann wohl der nächste Federlose wieder versuchen würde uns Gewalt anzutun. Als wir uns auch nach langer Zeit immer noch nicht wie Kuscheltiere verhalten haben und uns weigerten auf diese bedrängende Art mit Vertrauen zu reagieren, wollte diese Familie uns auf einmal nicht mehr haben. Scheinbar waren die nicht zufrieden mit uns, dabei hatten wir ja wohl viel mehr Grund unzufrieden mit unserem Heim zu sein! Und dann sind diese Leute auch noch auf die Idee gekommen, dass die uns einfach freilassen wollten!
Zuerst dachte ich: prima auf in die Heimat Australien und keinen Menschen mehr ertragen, der mich anfasst obwohl ich das nicht will! Aber nein! Unser neues Zuhause sollte das kalte Deutschland werden in dem wir spätestens im Winter erfroren wären und wo wir keine Nahrung gefunden hätten! Wovon hätten wir leben sollen?! Außerdem ging es meiner geliebten Henne damals schon irgendwie nicht so gut, ihre Nase war irgendwie komisch. Ich hatte das Gefühl, dass irgendwelche Tierchen ihr das Leben schwer machten.
Zum Glück wurden wir doch nicht einfach frei gelassen. Eine andere Familie nahm uns bei sich auf. Obwohl... Glück ist manchmal sehr relativ... Auch dort lebten wir in diesem sehr kleinen Käfig mit diesen schrecklichen weißen Gittern. Freiflug gab es nicht und meiner Süßen ging es immer schlechter. Irgendwie war sie krank, ihre Nase hatte sich verändert und sogar der Schnabel fing an sich zu verformen. Irgendwann konnte sie selber gar nicht mehr fressen. Ich habe getan was ich konnte um sie am Leben zu erhalten. Zum Glück konnte sie mit dem Futter, welches ich ihr gegeben habe weiterleben. Auch wenn ich immer dünner wurde, mir war es egal. Die Hauptsache war, dass sie weiterlebte. Aber leider durften wir trotzdem nicht zusammen alt werden. Irgendwann war sie einfach weg und ich war allein. Allein in diesem kleinen Käfig, allein unter diesen komischen Federlosen, die sich nicht für mich interessierten. Allein, lange allein... Wie lange? Ich weiß es nicht mehr, ein Tag war wie der andere, es müssen Jahre gewesen sein.
Eines Tages kam dann doch mal wieder eine Veränderung. Meine Zelle wurde mit einem Tuch abgedeckt und ich wurde irgendwo hin getragen.
Wohin wusste ich nicht, und mir war es auch egal. Jede Veränderung war mir willkommen, hoffentlich dieses Mal wirklich zum besseren.
Es stellte sich heraus, dass diese Veränderung ein Umzug zu einer neuen Federlosen war. Ich hab vielleicht erst einmal große Augen gemacht. Dort in diesem neuen Heim gab es einen deutlich größeren Käfig. Zuerst war es für mich total anstrengend in diesem für mich riesigen Käfig von einer Stange zur nächsten zu kommen. Ich musste immer wieder meine Flügel einsetzen um den Platz zu wechseln, dabei hatte ich die doch so lange nicht mehr benutzt. Aber es tat sooo gut! Auch diese anderen Sitzstangen! Aus richtigen Ästen! Was für eine Wohltat an meinen Füßen, die nur diese glatten, harten Stangen gewohnt waren! Schon nach kurzer Zeit wurden meine Muskeln wieder stärker und ich konnte mich hüpfend im Käfig bewegen. Ich sah schon wieder deutlich optimistischer in die Zukunft, obwohl ich immer noch allein war.
Und dann kam Frodo...
Nach etwas mehr als einer Woche kam die neue Federlose mit einer kleinen Pappschachtel nach Hause. Und darin war... Frodo... Ich hatte schon so lange keinen anderen Welli mehr gesehen! Und dann auch noch so eine hübsche, die sofort mit mir auf einer Wellenlänge war!!! Es war Liebe auf den ersten Blick, zwar war sie noch sehr jung und ich inzwischen ja schon 8 Jahre alt, aber das war egal. Es spielte keine Rolle. Wir haben uns nur kurz angesehen, ein paar Worte gewechselt und haben sofort beschlossen, dass wir zusammenziehen wollen. Wären da nur nicht wieder diese doofen Gitter gewesen. Beide wären wir am liebsten durch die Stäbe gekrabbelt um nur ganz schnell ganz nah bei dem Anderen zu sein. Schon am nächsten Tag hatte die Federlose ein Einsehen und hat Frodo zu mir gelassen. Es war der schönste Tag in meinem Leben! Endlich wieder ein anderer Welli mit dem man sich unterhalten konnte. Dem ich die Federn kraulen konnte und die mir die Federn zurückkraulte, es war unglaublich! Dieses Gefühl wieder ins Leben zurückgekehrt zu sein, ihr könnt euch das nicht vorstellen! Und endlich durften wir auch wieder frei fliegen, wenn wir wollten. Das war eine Wohltat, endlich wieder die Flügel richtig ausbreiten und die Flugkünste trainieren, herrlich.
Na ja, Frodo war nicht ganz so flugbegabt, hat sich schnell herausgestellt. Aber was machte das schon? Ich bin dann halt schon einmal vorgeflogen oder habe sie abgeholt, wenn sie mal wieder falsch abgebogen war. Richtige Landeplätze gab es leider für uns nicht,
die Federlose musste wohl noch einiges lernen, glaube ich. So sind wir also immer wieder auf den Schränken gelandet oder auf den Bilderrahmen, haben Wandwürste gespielt meinten die Federlosen. Und einmal ist Frodo wieder völlig falsch abgebogen. Aus dem Flug-/Wohnzimmer heraus und direkt um die Ecke in die Küche wo die Federlose und Mr. Federlos sich gerade aufhielten, die haben vielleicht geguckt, und wir erst. Aber die beiden waren ja nett und haben uns wieder zurück in das andere Zimmer gebracht Ich durfte auf dem Kopf von Mr. Federlos reisen und Frodo auf einem Stab auf dem sie gelandet war. War das ein aufregender Ausflug!
Eines Tages, ca. 6 Monate später, ging wieder etwas vor sich. Unser Käfig wurde umgestellt und lauter Leute liefen herum. Schränke und so etwas wurden weggetragen. Wir wurden aber zum Glück auch von der Federlosen mitgenommen. Und wir zogen in ein neues Wellizimmer, das sah ganz anders aus und nach und nach wurden auch extra für uns Spielplätze aufgestellt. Die Federlose hat sich wirklich Mühe gegeben und dazu gelernt. Hatten wir einen Spaß! Anfangs ist Frodo zwar ständig auf der Tür gelandet, aber ich habe sie dann da wieder abgeholt und ihr gezeigt wo man viel bequemer sitzen kann und viel mehr Spaß hat. Und Nachts sind wir immer zurück in unseren Käfig um dort zu schlafen. So lebten wir fröhlich weiter und haben das Leben genossen.
Bis eines Nachts... Irgendetwas war da plötzlich komisch mit meinem Fuß... Ich hatte da plötzlich kein Gefühl mehr drin und konnte mich nicht mehr auf der Schaukel halten, seltsam war das, ich hatte das vorher noch nie gespürt. Den ganzen Tag war ich noch so fröhlich und unbeschwert herumgeflogen. Sollte sich mein Alter von inzwischen fast 13 Jahren nun doch langsam bemerkbar machen? Gut, irgendwie hatte ich in letzter Zeit das Gefühl, dass etwas mit meinem Bauch nicht stimmt. Da schien irgendetwas zu stören, aber was ein echter Welli ist, der lässt sich ja nichts anmerken, nicht wahr?
Der Sturz von der Schaukel hat mich aber schon ziemlich beunruhigt und die Federlose auch. Also wurde ich zu einem Arzt gebracht, leider zu einem der von uns gefiederten Erdenbewohnern nicht sehr viel Ahnung hatte. Der Mann hat nur mein Bein untersucht, weil die Federlose erzählt hat, dass ich damit nicht mehr greifen und es nicht mehr belasten konnte. Der Arzt hat dann vermutet, dass ich beim Sturz eine kleine, nicht sichtbare Verletzung davon getragen hatte. HALLO!? Ich habe kein Gefühl mehr in dem Bein gehabt!! Junge!Wenigstens hat der Typ mich nicht mit einer Spritze malträtiert und einfach irgendetwas gespritzt, immerhin.
Wir sind dann wieder nach Hause, die Federlose und ich. Sie hat mir dann einen kleinen Käfig ausgepolstert damit ich in Ruhe am Boden liegen konnte und nicht in Versuchung kam auf eine höhere Stange zu klettern und wieder zu stürzen. Dies war ganz nett von ihr, irgendwie war mir auch sehr komisch.
Als am zweiten Tag immer noch keine Besserung eingetreten ist, hat mich die Federlose noch einmal zu einem anderen Arzt gebracht. Na, und der hatte zum Glück Ahnung von uns Flauschis. Der hat sich angehört was passiert ist und was der andere Tierarzt gesagt hat und hat mich dann untersucht. Der hat mich gleich ganz anders gegriffen und sofort hat er dieses komische Ding in meinem Bauch gespürt. Das war nämlich dafür verantwortlich, dass ich kein Gefühl mehr im Bein hatte. Ich hätte es auch nicht gedacht aber irgendwie hat es für mich sofort Sinn ergeben, genau auf der rechten Seite war der Druck im Bauch nämlich am größten. Und genau das rechte Bein hatte kein Gefühl mehr.
Der Arzt hat von einem Tumor gesprochen. Was das ist? Keine Ahnung, ich weiß nur, dass ich keine Schmerzen hatte. Gut, ich hatte nicht mehr den riesen Appetit wie früher, allerdings wurde ich immer schwächer. Helfen konnte der Arzt mir nicht, er sagte, der Tumor wäre bereits viel zu groß und ich war schon ganz schön dünn geworden.
Die Federlose hat mich noch einmal mit nach Hause genommen in meine gewohnte Umgebung. Hat mir für kurze Zeit eine wärmende Lampe bereitgestellt, das tat ganz gut. Frodo hat mir noch etwas vorgezwitschert und die Federlose hat noch lange bei mir gesessen.
Und in der Nacht tat sich plötzlich vor mir die Regenbogenbrücke auf, zuerst wollte ich nicht. Ich wollte doch noch etwas Zeit mit Frodo haben, aber dann bin ich doch losgeflogen.

Und schon auf der Brücke merkte ich, dass der Druck im Bauch verging und das Gefühl im Bein wieder zurückkehrte. Kurz habe ich zurückgeblickt um Frodo noch zuzurufen:
"Du brauchst keine Angst zu haben. Mir geht es gut und der Flug ist nicht schlimm. Er tut nicht weh und sei nicht traurig wir sehen uns bestimmt hier wieder. Ich werde die Augen nach Dir aufhalten, aber Du brauchst Dich nicht zu beeilen. Du sollst noch länger Dein Leben genießen. Du bist ja gerade erst 5 Jahre alt"
Und dann, dann habe ich es gesehen, das wunderbare Land hinter der Regenbogenbrücke. Dort gibt es so viel zu entdecken und zu spielen. So viele Wellis mit denen man herumtoben kann wenn man möchte. Immer ist jemand da, der mir die Federn krault und ich finde auch immer jemanden, dem ich die Federn kraulen darf, wenn ich möchte. Hirse und andere Leckereien so viel man möchte. Es ist wunderschön.
Meine erste große Liebe habe ich dort auch wieder gefunden. Ihr Schnabel war wieder komplett in Ordnung und sie hat mich Freude strahlend begrüßt und mir das Land gezeigt. Und letztes Jahr gab es dann auch ein Wiedersehen mit Frodo. Ich habe mich so gefreut sie zu sehen! Natürlich hatte ich die ganze Zeit immer ein Auge auf sie vom Regenbogenland aus, aber sie wieder bei mir zu haben war wunderschön.
So, ich glaube, dass war es was ich unbedingt noch loswerden wollte. Oh je, jetzt habe ich meiner Federlosen doch wieder Tränen gebracht, weil ich mich ihrer bemächtigt habe um die Geschichte niederzuschreiben, dass wollte ich doch gar nicht, es ist doch alles gut.
Was ich noch sagen möchte bevor ich wieder endgültig zurück ins Regenbogenland gehe und euch von dort beobachte:
Seid nicht zu traurig, wenn einer von uns sich auf den Weg über die Brücke macht. Es tut nicht weh. Uns geht es dort gut. Wir haben dort alles was wir uns wünschen und alle Schmerzen und jeder Kummer den wir vielleicht vor dem Flug hatten ist verschwunden und belastet uns nicht mehr. Ihr habt uns ein so schönes Leben gegeben als wir noch bei euch ein Heim haben durften.
Und wir spüren immer ganz genau wenn ihr Federlosen an uns denkt, dass ist ein schönes Gefühl. Wir wissen ganz genau, dass unser Platz in euren Herzen immer ganz allein für uns bleiben wird. Auch wenn unser Platz in dem Welliheim einem anderen Welli zugeteilt wird, der dann unser Leben auf seine Weise weiterführen darf. Wir geben den Platz gerne dafür frei. Irgendwann werden auch wir uns wiedersehen. Auch wir denken immer wieder an euch und werden euch nicht vergessen.
Euer Bilbo
Der Artikel wurde am 10.05.2012 von veröffentlicht in der Kateogie: Geschichten.
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Hannah aus The best in the west (10.05.2012 - 21:46)
Der kleine Bilbo hat aber eine bewegte Geschichte hinter sich! Schön geschrieben!
Silivren aus Gütersloh (11.05.2012 - 08:51)
Danke schön :)
Ich hoffe, dass der zweite Teil auch gefällt
Ich hoffe, dass der zweite Teil auch gefällt
Monika aus Münster (11.05.2012 - 20:35)
Das ist so schön zu lesen gewesen,hoffentlich folgt der zweite Teil auch bald,kann es kaum abwarten.