Lucy oder die Gefahr Zink
Ich weiß es noch, als wäre es gestern gewesen. Wir sind an einen wunderschönen Samstag im Mai ins Tierheim gefahren, um unseren Wellensittich-Bestand aufzustocken. Es war heiß und ich stand vor der kleinen Voliere der Flauschis. Da saß sie nun, unsere Lucy, Köpfchen nach hinten, schlafend, während alle anderen fröhlich vor sich hin brabbelten. Es war Liebe auf dem ersten Blick. Und niemand sonst konnte mein Herz erobern, obwohl ich mir dachte: Ist diese süße Dame auch gesund?Wie soll ich es euch weitererzählen. Zu Hause habe ich sehr schnell festgestellt, dass Lucy Durchfall hatte. Ist ja kein Problem, morgen geht es ja zum vogelkundigen Tierarzt.

Damit begann die Odyssee. Als erstes wurden bei meiner Lucy Bakterien festgestellt, dann Trichomonaden, dann Hefepilze usw. usw. Nach einer gewissen Zeit sagte der Tierarzt zu mir, dass der Wellensittich so viele Krankheiten hat, ist nicht normal und er möchte doch gerne einmal den Zinkwert testen. Natürlich war ich erstaunt, die ganzen Krankheiten und jetzt Zink?
Mir wurde dann erklärt, dass Zink ein lebenswichtiges Spurenelement ist, welches unter anderen für das Immunsystem zuständig ist. Ich hatte große Angst. Schließlich muss für eine Zinkuntersuchung ja das Blut abgenommen werden. Doch ein Wellensittich hat nur drei Milliliter Blut. Und leider kann ein Flauschi bei der Blutabnahme kollabieren. Um ihr zu helfen musste ich wissen, was mit Lucy los ist.
Eine Woche später bekam ich die Blutwerte. Meine kleine Dame hatte eine Zinkvergiftung! 2360ug/l und ab 2000ug/l liegt eine Vergiftung vor.
Jetzt war die Überlegung: Lasse ich meine Prinzessin in der Klinik entgiften, oder mache ich es zu Hause, wozu die Ärzte nicht raten. Es sei zu gefährlich. Leider wollte ich es lieber zu Hause machen. Dazu wurde mir ein Mittel (ich weiß den Namen nicht mehr) mitgegeben, das ich meiner Kleinen 10 Tage lang schnabulös geben sollte. Nach der ersten Eingabe bin ich aber schnell in die Klinik gefahren. Lucy hat eine Schwanzatmung bekommen. Die Flügel waren gespreizt, ihr ging es sehr schlecht.
So wurde Lucy jetzt in der Klinik entmetallisiert. Dazu bekam meine Süße jeden Tag Metalcaptase Penillamin in den Kropf. So weit ich mich erinnern kann bindet dieses "Medikament" die freien Zink-Ionen, sodass diese über Leber und Nieren ausgeschieden werden können. Deshalb bekam die Kleine täglich Infusionen, die in den Muskel des Unterschenkels gespritzt wurden, damit die Nieren gespült und die Leber geschützt werden.
Während meine tapfere Lucy diesen Prozess durchmachen musste, bin ich durch das Wellensittichzimmer gesprungen und habe mit einen Magneten geprüft, was alles aus Edelstahl ist. Denn nur hochwertiges Edelstahl ist zinkfrei. Durch meine Arbeit in einen Eisenwarenfachhandel weiß ich, es muss "V2A" oder "Rostfrei - Stainless Steel" sein. Ich war entsetzt: die Schaukeln, die Leitern - alles ist mit verzinkten Hacken. Natürlich wurden diese sofort ersetzt. Sogar die Halterungen der Edelstahlnäpfe enthalten Zink, weshalb ich dann ein Futterbrett gebaut habe.

Oh, wo konnte mein Liebling das nur her haben? Hat sie vielleicht früher in einem Messingkäfig gelebt? Messing ist eine Zinklegierung, die in der Regel 37% Zink enthält, aber auch Kupfer, das in einen Wellensittichmagen zu gefährlichen Kupferchlorid reagieren kann. Oder hat sie vielleicht die Farbe von ihren Käfig abgenagt? Lucy ist ja so eine Schreddermaus. Da kann es leicht sein, dass so ein Stück Beschichtung geschluckt wurde, leider sind aber diese Beschichtungen zinkhaltig. Selbst Volierendraht ist verzinkt, da Zink ein billiger Rostschutz ist. Lucy spielt ja auch so gerne mit Küchenrollenpapier, Papiertüchern, Klopapierrollen .... Aber auch da ist überall Zink enthalten.
Ich habe mich hingesetzt und recherchiert, was ich dabei entdeckte, ließ mich blass werden. Zink ist überall enthalten. Es ist im Futter, in Plastik, in Mineralsteinen, in Wandfarben, Sepiaschalen (selbst die Meere sind sehr zinkhaltig und die Tintenfische nehmen das Zink auf und lagern es in den Knochen ab) und und und. Es gibt nichts ohne Zink. Sogar unser tägliches Trinkwasser enthält Zink.
Damit ich das Zink in Lucy`s Wasser etwas reduzieren konnte, gab ich meinen Flauschis nur noch ihr Trinkwasser, nachdem ich mich geduscht hatte. Denn ich wusste zwar, dass die Werte von den Wasserwerken mit 1,75mg/l kommen. Doch was bedeutet das, ist es viel oder wenig? Dann gibt es aber noch die Bleirohre, die ja das Wasser zu uns bringen. So fragte ich nach, ob ich den Wellis Mineralwasser geben sollte. Aber leider kennt keiner ein Mineralwasser ohne Zink. Mir wurde die Gabe von Mineralwasser abgeraten. Dass ich das Wellensittichzimmer so hergerichtet habe, dass so wenig Zink wie möglich vorhanden ist, brauche ich euch ja nicht sagen.
Nach 10 Tagen habe ich meine kleine Prinzessin wieder bekommen. Sie hatte sehr stark abgenommen und wurde in der Klinik zwangsernährt. Jetzt hieß es: abwarten bis zur nächsten Kontrolle, die in drei Woche stattfinden soll.
Doch als das Ergebnis der Kontrolluntersuchung gekommen ist, war ich am Boden zerstört. Lucy`s Zinkwerte sind inzwischen auf 5600ug/l gestiegen. Man hat mich dann aber teilweise beruhigen können, da es ein positives Zeichen sein kann. Wenn die Werte jetzt gestiegen sind, könnte es bedeuten, dass all das Zink, das sich in den Knochen eingelagert hat, ausgespült worden ist. Wenn Lucy nichts verschluckt hat, dürften die Werte bei einer zweiten Entgiftung sinken.
Eine Garantie, dass die Werte aber wirklich sinken, konnte man mir nicht geben. Es war die Hölle. Was soll ich nur machen? Wieder entgiften und die Werte steigen womöglich noch einmal? Ich telefonierte in ganz Deutschland mit den verschiedenen vogelkundigen Tierärzten und Kliniken. Häufig hörte ich, wenn der Vogel sich wohl fühlt, brauchen Sie es nicht noch einmal machen. Kann ich das verantworten, einfach nichts mehr machen? Obwohl ich wusste, das meine Lucy todkrank war? Diese Werte überlebt kein Mensch und mein Flauschi war überglücklich und hatte nur Unsinn im süßen Welliköpfchen.
Schweren Herzens brachte ich meine Wellidame wieder in die Klinik. Die ganze, immer lebensgefährliche Prozedur, ging noch einmal von vorne. Wieder 10 Tage ohne Lucy. Diesmal habe ich auch zur Begleitung Bazi mitgegeben. Bei ihm wurde vorsichtshalber auch der Zinkwert kontrolliert. Bazi hat einen von 1680 ug/l. Er hat keine Zinkvergiftung und Lucy konnte nicht die Vergiftung von uns haben.
Trotzdem sollte ich noch einmal alles überprüfen. Vitamintropfen gab ich keine, nur sehr wenig enthalten kein Zink. Auch hat Lucy keinen Basilikum bekommen, in diesem ist sehr viel Zink als Spurenelement enthalten. Das Futter habe ich immer von renommierten Onlineshops gekauft.
Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich tagelang recherchiert habe, welche Mineralsteine ich geben könnte. Bei den meisten stand auf der Packung Zink. Doch ich konnte mich nicht darauf verlassen, dass wenn kein Zink auf der Packung steht, dass dann auch kein Zink enthalten ist. Ich rief bei den Firmen persönlich an. Doch man konnte mir nicht sagen, ob Zink enthalten ist oder nicht und wenn, wie viel. Doch die vkTA`s sagten mir, ein Mineralstein ist für Lucy sehr wichtig.
Für meine Prinzessin stand nach drei Wochen wieder der Kontrolltermin an. So lange braucht der Wellensittichkörper, bis das Gift ausgeschieden ist. Als wir im Wartezimmer saßen, war dort ein Wellensittich der sich an seinem Glöckchen eine Zinkvergiftung zugezogen hat. Ein Graupapagei mit Bleivergiftung; er hat einen Teil des Bleiband eines Vorhanges verschluckt.
Ich fragte mich, warum ausgerechnet in unserer Klinik immer mindestens ein Flauschi mit Zinkvergiftung sitzt. Dabei habe ich erfahren, dass unsere Klinik immer bei Unklarheiten zu einer Zinkuntersuchung rät. Da eine Zinkvergiftung nur schwer zu erkennen ist. Es gibt keine typischen Symptome. Bei Lucy war es der wässrige, grünliche Kot. Bei anderen schaut es aus wie eine Gefiederstörung oder rupfen. Wieder andere erbrechen, daher wird oft fälschlicher Weise auf Trichomonaden, Megabakteriose oder Nierenversagen behandelt.
Die nächsten Tage wartete und wartete ich auf das Blutergebnis. Doch das Glück war mal wieder nicht auf meiner Seite. Lucy`s Blut ging auf dem Weg in das Labor verloren. Ich sollte noch einmal eine Blutkontrolle machen.
Aber jetzt kamen inzwischen die kalten Tage. Ich hatte Lucy jetzt 4 Monate, davon war sie über 20 Tage in der Klinik, wir haben zwei mal 30 Tage zitternd gewartet ob die Blutwerte besser geworden sind. Ich wollte ein wenig die Zeit mit Lucy genießen und hab erst für 3 Monate später einen Termin zur Blutkontrolle gemacht. Meine Wellidame war ja auch putzmunter nach der zweiten Entgiftung. Dass ihr Kot sich immer noch nicht gebessert hatte, damit konnten die Ärzte und ich mich arrangieren.
Doch kurz bevor wir den dritten bzw. vierten Kontrolltermin (durch den Verlust des Blutes nach einer Untersuchung) hatten, fing meine Kleine an zu humpeln. Lucy hat in der Früh doch fröhlich ihre Runden gedreht, hat sie sich da verletzt? Als ich wieder zum vogelkundigen Tierarzt fuhr, stellte er nach einer Röntgenaufnahme fest, dass ihre Leber und ihre Nieren viel zu groß waren. Meine Kleine hat doch immer Cranberry für die Nieren und Mariendiestel für die Leber bekommen, wie kann das nur sein? Der Tierarzt hat gemeint, mit ein paar Infusionen wird meine kleine Lucy wieder ganz gesund werden. Es wurde dann auch wieder der Zinkwert kontrolliert.
Den Zink hat meine Prinzessin besiegt, ihr Wert war auf 1620 ug/l gesunken, aber die daraus entstandenen organischen Schäden leider nicht. Lucy ist lieber über die Regenbogenbrücke geflogen.

Der Artikel wurde am 04.05.2013 von 2 Federlose veröffentlicht in der Kateogie: Gesundheitsblog.
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Ive aus Waghäusel (04.05.2013 - 20:11)
Hallo Tanja,
vielen Dank für den sehr aufschlußreichen Bericht !!!
Ich hoffe er macht vielen Haltern die Gefahr von Zink bewusst und hilft dadurch vielen Vögelchen.
Dass es deine Lucy nicht geschafft hat, tut mir einfach nur unendlich leid.
Alles Liebe für dich und deine Lieben, sowie den zurück bleibenden Federpopo Bazi.
vielen Dank für den sehr aufschlußreichen Bericht !!!
Ich hoffe er macht vielen Haltern die Gefahr von Zink bewusst und hilft dadurch vielen Vögelchen.
Dass es deine Lucy nicht geschafft hat, tut mir einfach nur unendlich leid.
Alles Liebe für dich und deine Lieben, sowie den zurück bleibenden Federpopo Bazi.
Lokie aus Köln (26.07.2015 - 11:56)
Liebe Tanja,
Eines kann ich dir sagen, du hast dich echt vorbildlich um Lucy gekümmert. Das du sogar mit den Firmeninhabern telefoniert hast! Es gibt leider sehr wenige Wellihalter , die sich so mit dem Schicksal ihrer Vögel auseinandersetzen. Das finde ich toll! Schade das Lucy es nicht geschafft hat! Und danke für die Aufklärung, ich werde es mir zu Herzen nehmen.
Eines kann ich dir sagen, du hast dich echt vorbildlich um Lucy gekümmert. Das du sogar mit den Firmeninhabern telefoniert hast! Es gibt leider sehr wenige Wellihalter , die sich so mit dem Schicksal ihrer Vögel auseinandersetzen. Das finde ich toll! Schade das Lucy es nicht geschafft hat! Und danke für die Aufklärung, ich werde es mir zu Herzen nehmen.
HeidiLi aus Hannover (04.08.2015 - 23:17)
Hallo Tanja, das mit Lucy tut mir leid. Dein Bericht zeigt sehr eindringlich, auf was man alles achten muss. Vieles davon war mir bisher nicht bekannt.
Ich wünsche dir und deinen anderen Wellis weiterhin alles Gute
herzliche Grüße
HeidiLi mit Tommy und Lilly
Ich wünsche dir und deinen anderen Wellis weiterhin alles Gute
herzliche Grüße
HeidiLi mit Tommy und Lilly