Gähnen markiert soziale Zugehörigkeit
Forscher gelangen immer mehr zu der Überzeugung, dass
Gähnen nicht so sehr ein körperliches Symptom als viel mehr ein sozialer Marker ist. Bereits für die Urform des Menschen war eine funktionierende Kommunikation von hoher Bedeutung. Das
Verhalten anderer Menschen musste eingeschätzt werden, um das Überleben zu sichern.
Gefahren konnten so frühzeitig erkannt und umgangen werden. Eine Strategie der sozialen Anpassung ist seit jeher die Nachahmung. Bereits Babys imitieren die Sprache und die Bewegungen der Mutter. Verantwortlich für dieses
Verhalten sind die sogenannten Spiegelneuronen. Sie bilden ein enges Netz aus Nervenzellen im Gehirn. Dieses Geflecht nimmt die
Verhaltensweisen anderer Menschen auf, vergleicht sie mit dem eigenen Repertoire und interpretiert sie.
Gähnen wäre demnach eine Imitation sozialen
Verhaltens.
Mitfühlendes Gähnen
Aber nicht alle Menschen sind gleichermaßen geneigt, mitzugähnen. Catriona Morrison und ihr Team stellten auf dem British Association Festival of Science in York die Empathie- Theorie vor. Demnach gähnen nur besonders einfühlende Menschen mit. Zuvor hatten die britischen Wissenschaftler eine Versuchsgruppe in ein volles Wartezimmer mit einem notorisch müden Menschen gesetzt. Was allerdings nur die Wissenschaftler wussten: der ständig gähnende Mann war Mitglied der Forschergruppe. Im Anschluss mussten die Probanden verschiedene Gesichter in unterschiedlicher Gemütsregung einschätzen, um deren Empathiefähigkeit zu messen. Als Ergebnis zeigte sich, dass diejenigen mit der größten Mitfühlungsgabe häufiger und auch viel schneller auf das
Gähnen des Mannes reagiert hatten.
Die britischen Forscher bestätigten damit die Ergebnisse des Wissenschaftsteams um Stephen Platek von der Drexel Universität. Sie hatten bereits Jahre zuvor erfolgreich beweisen können, dass Menschen mit geringer Empathiefähigkeit relativ unbeeindruckt bleiben von gähnenden Mitmenschen.
Tierische Übertragung
Auch bei Tieren kann dieses
Verhalten beobachtet werden- so ahmen Primaten, hauptsächlich Schimpansen und Orang Utans, Gesten oder eben
Gähnen der Rudelmitglieder nach. Auch sie reagieren mit deutlichem Nach-
Gähnen, wenn ihnen gähnende Artverwandte vorgeführt werden. Auch der Grad der Bekanntschaft spiele dabei eine große Rolle, so die Forscher des TiHo Zentrums für Neurowissenschaften. Seien es unbekannte Tiere, reagierten die Beobachter deutlich verhaltener als bei Bekannten. Der Biologe Konrad Lorenz interpretiert derartiges tierisches
Verhalten als eine Art Stimmungsübertragung; er hat zum Beispiel bei Vögeln solche ausgeprägten
Verhaltensweisen beobachtet. Wenn einzelne Gänse genug gegessen hätten, würden sie Signale zum Aufbruch geben, etwa angekündigt durch angedeutetes Flügelschlagen. Dieses
Verhalten überträgt sich alsbald auf die gesamte Gruppe.
Bei Menschen ist eine solche Stimmungsübertragung mit einem Lächeln vergleichbar. Man signalisiert eine Handlungsbereitschaft und überträgt auch eine freundliche Stimmung auf den anderen. Dieser reagiert ebenfalls mit einem Lächeln.