Wellensittiche selber züchten
Es wird in diesem Artikel darum gehen, warum jeder mittlerweile legal Wellensittiche züchten darf, und was die Folgeerscheinungen davon sind, die wir Tag täglich im Forenalltag und vor Ort erleben. Es ist ein persönlicher Bericht der Erfahrungen, die ich als langjährige Federlose (mehr als 20 Jahre) gemacht habe wiederspiegelt, und die traurige Seite der gesetzlichen Entwicklung bezüglich der Wellensittichzucht und deren Auswirkungen aufzeigt. Dieser Bericht ist für jeden gedacht, der sich auf irgend eine Weise und ganz egal aus welchem Grund mit dem Thema Nachwuchs bei Wellensittichen beschäftigt und mit dem Gedanken der Zucht auseinander setzt.Warum jeder Laie es eigentlich darf - und Laien es besser lassen sollten !!!
Jeder darf in Deutschland seit 2012 auf legale Weise Wellensittiche züchten. Der Wegfall der Psittakose Verordnung bewirkte somit leider die Tatsache, dass jeder Laie seine Wellensittiche zur Brut ansetzen darf. Auch wenn er davon nicht die leiseste Ahnung hat. Zwar ist es nach wie vor so, dass eine Zuchtgenehmigung gewünscht und empfohlen wird, deren Erwerb mit einer sachkundlichen Wissensprüfung um das gesamte und sehr komplexe Themengebiet gekoppelt ist. Jedoch wird dies nicht eingehend genug geprüft und obliegt dem Halter selbst ob er sie ablegt. Seither geht in deutschen Wohn- und Kinderzimmern, bei selbsternannte Laienzüchtern (ich rede nicht von Hobbyzüchtern die ihr Handwerk verstehen und das erforderliche Wissen besitzen) die Post ab. Es werden wild durcheinander Wellensittiche miteinander verpaart und Paarkonstellationen zugelassen, weil sich die Vögel doch so wohl fühlen und sich so mögen. Wichtige Aspekte die bei einer gesunden Zucht zu beachten sind, werden dabei vernachlässigt. Oft steckt dahinter nicht böser Wille, sondern schlicht und ergreifend fehlendes Wissen und Unverständnis. Doch fragt man sich dann als Außenstehender nicht, ob dann eine Zucht nicht besser unterlassen werden sollte ? Diese Frage ist berechtigt. Denn immer wieder erleben wir im Austausch des Forums oder auch in den Praxen vogelkundiger Tierärzte (vkTa´s), was die Folgen solcher Zuchten sein können.
Oft stand der Erfahrung und Mehrzahl nach zu folgen, am Anfang der oft ahnungslosen Laienzüchter ein Wellensittichpärchen. Dieses schmuste, schnäbelte und zeigte die typischen Verhaltensweisen eines Pärchens auf, das sich eben mag und dies auf Wellensittichweise auch kommuniziert. Weniger mit zwitschern, als durch das Zeigen ihrer Zuneigung. Im Geschäft sah man den Nistkasten und im Internet entsprechende Kükenfotos und all zu schnell war der Gedanke geboren, dass man doch selbst Nachwuchs ganz niedlich findet und die kleinen Federbällchen mit den Knopfaugen sicher eine Bereicherung wären. Ein Welli mit Nachwuchs sicher glücklicher und erfüllter sei... Der Nistkasten wird gekauft, eingehängt und innerhalb kurzer Zeit von der so zur Brut animierten Henne genutzt. Ob der Nistkasten geeignet ist, wird der Vogel nicht bestimmen und aufgrund des Unwissens, werden es viele Halter nicht einmal bemerken, wenn er keine Nistmulde hat. Dass dies später zu schwersten Auswirkungen und Folgen führen kann, das bleibt noch im Verborgenen. Sofern die Henne es schafft ohne Legenot ihre Eier abzulegen, nimmt alles seinen Lauf. Viele Halter sehen sich auch jetzt noch nicht gezwungen sich eingehend mit dem wirklich komplexen Gebiet der Lege-Brut- und Aufzuchtsphase zu beschäftigen. Im Kopf ist nur das Bild von den ach so süßen Küken. Welche Belastung bereits eine Brutigkeitsphase mit sich bringt, welche Gefahren sie birgt, welche Anstrengung für einen kleinen Vogelkörper eine Eiablage ist und was es für den Hahn bedeutet eine solche Henne zu betreuen, das wird oft nicht im Ansatz berücksichtigt. Dass spezielle Ernährung notwendig ist und eine besondere Deckung des Mineral- und Vitaminhaushaltes gegeben sein muss wissen die Laien oft nicht. Es ist ihnen auch kein Vorwurf zu machen, sofern sie aber dabei auch verstehen, dass sie bei Unwissenheit dann die Finger vom Nistkasten und somit der Zucht von Wellensittichen lassen sollten.
Sind die Eier gelegt und werden bebrütet, wird das Ganze interessanter für den Halter. Man fragt sich vielleicht, wann die Küken schlüpfen. Wie lang eine Brutphase dauert, darüber informieren sich die meisten leider erst dann, wenn das Brüten all zu lange vorkommt. Nichtmal das Datum der Eiablage (1.Ei) ist dabei bekannt. Dass die Küken mit Verzögerung schlüpfen werden (von je 2 Tagen) ist den meisten ebenso wenig klar. Dass Wellensittiche auch unbefruchtete Eier (ohne Embrio) ablegen können ist vielen unbekannt. Das alles sind keine Vorwürfe. Es sind Infos, die anhand der Fragen die uns immer wieder gestellt werden, einfach erkennbarer Weise fehlen. Sie bilden aber die Grundlage und somit das Basiswissen für Zucht. Erkennt man schon fehlendes Wissen bei solchen wesentlichen Dingen, dann ist von einer Zucht gleich absolut abzuraten und zu hoffen, dass die bereits erfolgte Eiablage unbefruchtete Eier enthält um jetziges und künftiges Wellileid zu verhindern.
Dieser Punkt bildet immer noch einmal die Gelegenheit, nach Ablage von unbefruchteten Eiern die "Unwissenheitszucht" zu beenden und dauerhaft die Möglichkeit zur Brut bei den Wellis zu entfernen.
Was aber wenn die Nestlinge schlüpfen ? Dann ist guter Rat teuer. Dass die Nestlinge von ihren Elternvögeln gefüttert werden stimmt zwar, dennoch gibt es eine Menge Dinge zu beachten, die wir hier nur kurz antippen. Die Ernährung und Versorgung mit wichtigen Mineralen und Vitaminen wurde bereits angesprochen. Dass es Eifutter als Stärkungskost für die sehr angestrengten Elternvögel gibt wissen manche nicht einmal. Sofern sie es wissen beziehen sie mit Zucker versetztes übliches Eifutter aus dem Handel und legen somit schon den ersten bröseligen Grundstein für einen schlechten Start der Nestlingsernährung. Auch hier gibt es keinen Vorwurf sondern die Frage: Warum man Dinge umsetzt, von denen man nicht ausreichend Wissen hat.
Dass Nestlingskontrollen durchgeführt werden müssen um Ernährungsszustand (optisch) und Versorgungszustand allgemein zu beurteilen ist nicht jedem klar. Dass eine gewisse Nistkastenhygiene der Vogel selbst übernimmt, aber eine unerfahrene Henne da vielleicht auch Unterstützung benötigt ebenso wenig. Dass unerfahrene oder gar zu alte, geschwächte oder gar unerkannt grunderkrankte Elternvögel eine anstrengende Phase nicht erfolgreich durchlaufen können wird nicht bemerkt, weil das geschulte und wissende Auge fehlt. Dass Nestlinge im Nistkasten ohne Nistmulde von der Henne plattgedrückt werden und unter Umständen Spreizbeine entwickeln unter denen sie lebenslang leiden auch nicht... All diese Aufzählungen sind keine an den Haaren herbeigezogenen Horrormärchen.
Es sind traurige Erfahrungswerte und Geschichten aus dem Alltag. Rachitische Vögel, deren Grundversorgung im Nestlingsalter nicht stimmte und die ein leben lang die Folgen tragen müssen, geschwächte Hennen die sterben, wenn sie nicht vorher einer Legenot erliegen, ein aggressiv werdender Hahn, tote Nestlinge und traurige und verzweifelte Halter, die nur mal eben Nachwuchs wollten und dachten, dass alles ganz einfach sei. Sie alle bleiben unter Umständen zurück.
Wir wollen bei welli.net und durch diesen Artikel noch einmal aufklären. Unser Ziel ist nicht zu beschuldigen. Denn jeder kann durch Unwissen und durch schlechte Beratung im Handel auch ungewollt in solch eine Lage kommen. Aber wir wollen einen Appell an jeden richten, der sich mit Nachwuchs von Wellensittichen, Zucht oder ähnlichen Gedanken befasst. Informiert euch zuerst über die Grundbedürfnisse eurer erwachsenen Vögel. Sind diese langjährig erfolgreich erfüllt, dann informiert euch weiter und legt euch einen reichen Wissensschatz an um zu verstehen, dass Nestlinge und Küken zwar süß, aber angesichts der Tatsache dass viele 1000... Vögel in Kleinanzeigen, Vermittlungsrubriken und Tierheimen auf ein neues Zuhause warten, unnötig. Dies ist nämlich neben all den Gefahren der Zucht für Elternvögel und Jungvögel, der zweite traurige Aspekt. Nicht jeder kann seine Nachzuchten behalten und sofern es doch möglich sind, landen entweder die Elternvögel oder eben die Nachzuchten selbst in der Vermittlung und überschwemmen den Markt durch die traurige Masse an Wellensittichen, die ein Zuhause suchen.
Das sind sie die Gründe, warum jeder züchten darf, aber nicht jeder es auch tun sollte. Bitte überlegt euch gut, bevor ihr es zulasst und handelt. Handelt verantwortungs- und liebevoll. Aus Liebe zu euch selbst, denn ihr wollt nicht traurig über entstehende Komplikationen sein, und aus Liebe zu euren Wellensittichen, die es euch danken werden.
In diesem Sinne hoffen wir euch ein wenig Einblick verschafft zu haben, in die Welt der Wellensittich-Laienzucht, nach der gesetzlichen Veränderung.
Der Artikel wurde am 03.10.2014 von Ive84 veröffentlicht in der Kateogie: Haltungsblog.
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Elke aus Hürth (06.10.2014 - 20:06)
Hallo Wellifreunde, auch ich habe Anfangs mit dem Gedanken gespielt, selbst Nachwuchs zu produzieren, diesen Gedanken aber schnell auf Seite geschoben, nachdem ich die ersten Wellies aus nicht artgerechter Haltung aufgenommen habe. Es gibt sooooo viele Wellies, denen man ein schönes Heim bieten kann....nur Mut, es lohnt sich!
Sharlie Choko aus Hamburg (22.07.2017 - 00:40)
Hey,
Sehr guter Artikel. Dieser wirkt sehr abschreckend!!!
Sehr guter Artikel. Dieser wirkt sehr abschreckend!!!
Susanne aus Deutschland (06.07.2018 - 11:45)
Naja, die Psittakoseverordnung braucht man nicht, um sich über Wellensittiche und auch ihre Zucht gründlich zu informieren. Es gibt im Netz und auch in Büchern wirklich ausreichend und preiswert alle notwendigen Informationen auch für die Zucht von Wellensittichen.
Wer heute ahnungslos in so ein Thema stolpert tut das, weil er kein echtes Interesse hat, nicht weil es keine Vorschrift gibt, sich zu informieren.
(Ja, ich habe mal Wellensittiche gezogen und auch eine Zuchterlaubnis nach der Verordnung dafür gehabt)
Wer heute ahnungslos in so ein Thema stolpert tut das, weil er kein echtes Interesse hat, nicht weil es keine Vorschrift gibt, sich zu informieren.
(Ja, ich habe mal Wellensittiche gezogen und auch eine Zuchterlaubnis nach der Verordnung dafür gehabt)