Vorzähmen? – Nein Danke! – Erfahrungsbericht

Immer wieder hört man davon, immer wieder ist das Thema aktuell: Das ‚Vorzähmen‘. Ich habe selber durch Unwissen Erfahrungen damit gesammelt und möchte sie hiermit an alle zukünftigen Welli-Mamis und Welli-Papis weitergeben.

Alles fing damit an, dass meine Eltern früher einen (wohlgemerkt über Jahre leider nur einen einzelnen) Wellensittich hielten, unser Fritzken. Unter heutigen Gesichtspunkten, jetzt wo ich viel mehr weiß als früher, muss ich leider sagen, die Haltung war auch ansonsten nicht besonders toll: Wenig Freiflug, Messingkäfig, der selbst für einen Vogel nicht groß genug war, gedrechselte Holzsitzstangen, ein Spiegel im Käfig, alles was dazu gehört. Das einzige was es nicht gab war der obligatorische Plastikvogel.
Aber so fing meine Liebe zu den Wellensittichen an. Irgendwann flog ihnen dann ein weiteres Männchen zu und so bekam auch der einsame Vogel einen Partner, aber das ist eine andere Geschichte.

Als ich dann alt genug war um auszuziehen war Fritzken schon lange im Regenbogenland und wir hatten keine Vögel mehr zu Hause. In meiner neuen Wohnung war es mir zu still und ich wollte wieder Wellis. Ich dachte ja durch meine Eltern ich wüsste schon sehr viel.
Mir war dabei von Anfang an klar, dass der Käfig größer sein musste (es ist dann eine Zimmervoliere geworden :) ) und dass es mindestens zwei sein sollten. Mein Freund und ich suchten also nach einem Züchter in unserer Nähe, denn Babys sollten es sein, darüber waren wir uns einig. Wir fanden dann eine Züchterin. Und da wir dachten die müsste sich ja auskennen haben wir uns von ihr beraten lassen wie wir die Tierchen zahm bekommen.
Da mein Freund auch Nymphensittiche toll fand haben wir uns von ihr auch noch ihre Nymphen-, Spring- und Ziegensittiche zeigen lassen. Und da kam der erste Hammer: Ja, man könne diese Tiere jeweils problemlos mit Wellensittichen halten, da würde man keinen gleichartigen Partner brauchen. Zum Glück kam mir das Spanisch vor und ich habe im Internet recherchiert. Natürlich geht das nicht so einfach, denn die Tiere sprechen einfach verschiedene Sprachen und sind gemeinsam einsam wenn man sie zusammen hält.

Und jetzt zum eigentlichen Thema vorzähmen: Wir sprachen mit der Züchterin darüber, wie wir die Wellis am Besten zahm bekämen. Ihr Vorschlag: Erst einige Monate nur einen und dann den zweiten dazu. Ich wusste es nicht besser und so suchten wir uns unseren Zim aus. Ein süßer blauer Fratz.
Als er gerade futterfest war (da war er vier Wochen alt, das ist eigentlich viel zu früh wie ich mittlerweile weiß) rief uns die Züchterin an wir könnten ihn abholen. Am Vormittag noch schnell die Voli fertigmachen (Naturäste rein etc.) und dann losgedüst. Die Züchterin gab mir noch den Tipp mit auf den Weg, ich sollte den Kleinen doch in meiner Pullovertasche mit mir herumtragen und ihn nur aus der Hand füttern damit er noch zahmer wäre. Heute rollen sich mir die Fußnägel hoch wenn ich das höre.

Zu Hause angekommen war Zim so verängstigt (er war ja noch nie in seinem kurzen Leben alleine gewesen), dass er sich nicht mal aus dem Transportkarton heraustraute, furchtbaren Angstdurchfall bekam und sich die nächsten zwei Tage fast nur an die Gitterstäbe geklammert in der oberen Ecke des Käfigs aufhielt.
Die Zeit ging vorbei und er war der zahmste Vogel der Welt, ließ sich kraulen, kuschelte sich in meinen Pulli, kam auf meinen Finger… Nur einen Makel hatte das Ganze: Er saß ANDAUERND oben auf dem glänzenden Ventilator und sprach mit dem anderen Welli den er da sah. Es war zum heulen.

Wellensittich blazt sein Spiegelbild an

Ich konnte das nicht mit ansehen und etwas weniger als zwei Wochen nach seinem Einzug holten wir seine Schwester dazu, eine gelbe Lutinohenne namens Polly.
Es war zuckersüß anzusehen als sie ankam: Sie als dynamische Henne stürzte schimpfend aus dem Karton, in den wir es gewagt hatten, sie zu stecken. Und Zim war hellauf begeistert, kuschelte sich an sie (denn er kannte sie ja noch aus dem Nistkasten), kraulte sie und sie zwitscherten sich gegenseitig etwas vor. Nur mit der Zahmheit war es erst mal vorbei. Er interessierte sich gar nicht für mich und machte eher einen beleidigten und misstrauischen Eindruck wenn ich kam.

Und das ist genau das auf das ich hinaus will: Vorzähmen ist eine riesige Quälerei und bringen tut es nichts. Denn sobald der neue Welli dazukommt, wird sich der erste natürlich viel mehr mit ihm beschäftigen und die ganze ‚Arbeit‘ die man vorher hatte hat nichts gebracht. Denn man war kein Partner, man war nur eine Notlösung. Ein gruseliger Riese, der nicht die gleiche Sprache spricht, aber der Einzige, der da ist.

zwei Wellensittiche fressen frische Kraeuter ###advertiser_one###

Ich rate allen, die ihre Wellis lieben und wirklich von ihnen gemocht werden wollen: Holt euch sofort zwei. Denn dann werden die Wellis zu euch kommen, weil sie es wirklich wollen und nicht weil ihnen nichts anderes übrig bleibt. Und das ist doch viel schöner und tausendmal mehr Wert oder? Mal ganz davon abgesehen, dass sie ebenso zahm werden als würde man erst nur einen holen. Man muss ihnen nur Sicherheit geben und das Gefühl, dass sie einem vertrauen können. Es ist das schönste Geschenk, wenn ein Welli dann auf die Hand kommt, einfach so und nur weil er Kontakt möchte, weil es seine freie Entscheidung ist.
Genauso war es bei uns: Nach einiger Zeit kamen sie wieder zu uns, und zwar beide! Und das allerbeste daran zwei zu holen: Es gibt immer einen, der mutiger ist und eher kommt und der andere wird es sich schnell abschauen. So hat man sogar noch einen weiteren Vorteil, wenn man das Vertrauen der Plüschis gewinnen will.

Ich hoffe, vielleicht den einen oder die andere mit meiner Geschichte davon überzeugen zu können, dass vorzähmen nichts bringt.
Wenn dafür ein paar Wellis weniger wochenlange Einsamkeit und Angst durchstehen müssen bin ich froh. Denn zu zweit lebt es sich viel leichter ein als alleine!

zwei Wellensittiche beim synchron putzen
 

twixx_87