Viele Wellensittich-Halter, und darunter vor allem Kinder, wünschen sich einen zahmen Welli – am besten einen, den man auch streicheln kann. Doch wie empfindet der Vogel diese Annäherungsversuche von uns Federlosen?
Auch wenn ein Wellensittich mit der Zeit so viel Vertrauen zu
seinem Menschen aufbaut, dass er auf die Hand kommt, heißt
das noch lange nicht, dass man ihn jetzt auch anfassen kann. Die
wenigsten Wellensittiche mögen es, vom Menschen gestreichelt
zu werden. Im Gegenteil: Es macht ihnen vielmehr Angst.
In der freien Wildbahn sind vor allem Greifvögel die
natürlichen Feinde der kleinen Sittiche und die menschliche
Hand wird von den meisten Wellensittichen mit den Klauen ihrer
Fressfeinde assoziiert. Das ist auch der Grund, warum man einen
Welli niemals ohne wirklich triftigen Grund in die Hand nehmen
darf.
Sicherlich gibt es immer wieder einmal Vögel, die ein solch
großes Vertrauen in ihren Federlosen haben, dass sie sich mit
dem Finger das Köpfchen oder sogar den Bauch streicheln
lassen. Dazu darf man die Tiere aber niemals zwingen!
Und nur, weil ein Wellensittich nicht flüchtet, wenn man ihn
auf einmal berührt, bedeutet das nicht, er findet es auch gut.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Vogel in einer solchen
Situation in eine Schreckstarre verfällt und sich vor lauter
Angst nicht mehr rühren kann. Er lässt dann die
Streicheleinheiten über sich ergehen, obwohl er sich viel
lieber dagegen wehren würde. Dieses Verhalten wird leider viel
zu oft missgedeutet und führt dazu, dass der Wellensittich
zunehmend mehr Angst vor der Hand bekommt.
Will ein Welli wirklich einmal von uns Menschen gestreichelt
werden, dann wird er uns das auch zeigen, indem er z.B. auffordernd
sein Köpfchen in Richtung Finger streckt und dabei ein wenig
die Federn an Kopf und Nacken sträubt.
Sollte das einmal geschehen, muss man natürlich sehr behutsam
vorgehen, darf das Tier nie bedrängen und muss ihm jederzeit
die Möglichkeit zum Rückzug geben. Auch sollte es immer
der Wellensittich sein, der zum Kraulen auffordert – nicht
umgekehrt.
Einen Wellensittich einzeln zu halten, damit er so zahm wird und
sich streicheln lässt, ist Tierquälerei. Wellis sind
absolute Schwarmtiere und brauchen immer einen Artgenossen –
auch zum Kraulen. Denn gerade während der Mauser hilft ihnen
ihr Partner dabei, die verschlossenen Federhülsen mit dem
Schnabel aufzuknacken und lindert außerdem den Juckreiz, der
durch die nachwachsenden Federn entsteht. Ein menschlicher Finger
kann diese Aufgabe nie übernehmen.
Möchte ein Wellensittich so viel Nähe zu seinem Menschen,
dass er sich anfassen lässt, geschieht das außerdem auch
in der Paar- oder Schwarmhaltung. Die Einzelhaltung ist zudem kein
Garant dafür, einen kuschelfreudigen Wellensittich zu
bekommen.
Um es einmal auf den Punkt zu bringen: Wellensittiche sind keine
Kuscheltiere!
Auch wenn es sicherlich schön sein mag, wenn der eigene Welli
sich streicheln lässt, so darf man die eigenen
Bedürfnisse hier nie über die des Tieres stellen. Und die
meisten Vögel ziehen es nun einmal vor, von einem Artgenossen
gekrault zu werden – und das ist auch völlig
normal.
Wer sich also ein Tier zum Kuscheln und Schmusen wünscht, der
muss von Anfang an bedenken, dass ein Wellensittich (oder auch ein
anderer Vogel) hier nicht die richtige Wahl ist und das nicht, weil
diese Tiere uns damit ärgern wollen, sondern einfach nur, weil
es eben nicht in ihrer Natur liegt.
Im Übrigen darf man generell nie vergessen, dass kein Tier per
se ein Kuscheltier ist. Wir Menschen müssen es immer unserem
tierischen Mitbewohner überlassen, ob er denn die Nähe zu
uns suchen möchte oder nicht.
Bealu