Oft hört oder liest man, wenn man sich für die Haltung von Vögeln interessiert, dass Wellensittiche die idealen Einsteiger-Vögel seien. Was soll das bedeuten? Dass man an ihnen erst einmal die Haltung ausprobieren, d.h. üben kann. Wenn man dann genug geübt hat und dabei hoffentlich möglichst wenig Tiere zu Schaden gekommen sind, kann man sich daran wagen und endlich die schon immer gewünschten Vögel - vielleicht Großpapageien - halten? Oder soll das heißen, dass Wellensittiche ideal dafür sind, dass sich Kinder in Verantwortung einüben können?
Was könnten das für Eigenschaften sein, die diese Art angeblich zu einem idealen Einsteiger-Vogel macht? Wellensittiche sind klein und benötigten nicht viel Platz. Sie sind nicht besonders laut. Es sind liebenswerte und normalerweise friedfertige Geschöpfe. Sie sind putzig anzusehen und können sogar sprechen lernen. Sie sind anspruchslos in der Verpflegung und werden nicht so alt wie z.B. Großpapageien. Und vor allem: Sie kosten nicht viel. Solche oder ähnliche Argumente hört man oft.
Stellen wir diese Eigenschaften einmal auf den Prüfstand:
Ja es stimmt, Wellensittiche gehören zu den kleinsten Papageien. Aber es sind Vögel. Sie müssen die Möglichkeit bekommen zu fliegen. Und zwar täglich. Sie benötigen also mindestens einen ganzen Raum und auch ihr Käfig muss so groß sein, dass ihnen darin einige Flügelschläge möglich sind. Als artgerecht gilt eine Mindestbreite des Käfigs von 1 m bei einem Besatz mit zwei Wellensittichen. Wenn kein eigenes Vogelzimmer zur Verfügung steht, ist der ideale Standort für den Käfig das Wohnzimmer. Die liebenswerten Vögel nehmen dann gerne an der Unterhaltung ihrer Menschen teil. Zwar sind ihre Stimmen eher moderat, doch ist es ihnen möglich die Stimmenhoheit zu übernehmen. Allerdings ist es eher unwahrscheinlich, dass die Wellensittiche bei tierschutzgerechter Haltung von mindestens einem Paar die Sprache der Menschen nachahmen. Es besteht für sie dafür kein Grund.
Vielfach wird angenommen, dass Wellensittiche mit einigen Körnern Futter ausreichend versorgt sind. Für ihr Wohlbefinden benötigen sie aber auch Obst und Gemüse und Kräuter sowie frische Äste zum Benagen. Bei guter Pflege können die kleinen Papageien dann bis zu 15 Jahren alt werden. Für einen Test ist das eine sehr lange Zeit.
###advertiser_one###Eins ist wahr, im Handel kann man Wellensittiche leider schon für 20,- € kaufen. Und auch die Käfige werden zu erschwinglichen Preisen angeboten. Für eine artgerechte und sichere Haltung taugen diese Käfige in der Regel nicht. Wenn man nach Käfigen mit der empfohlenen Mindestbreite fragt und sich zudem nach Käfigen ohne Belastung mir Schwermetallen erkundigt, wird man bei den Preisen mit dreistelligen Beträgen rechnen müssen. Ganz so billig ist es also nicht. Und ob die Unterkunft dann für die eventuelle gewünschte andere Art geeignet ist, ist auch nicht sicher.
Wenn man Wellensittiche bei sich Zuhause aufnehmen möchte, sollte man dies nur um ihretwillen tun. Nur wirkliche Begeisterung für die Tiere lässt einen auch die alltäglichen Dinge im Sinne der Vögel erledigen. Wenn der Reiz des Neuen bereits verblasst ist, müssen die Wellensittiche immer noch täglich versorgt werden. Die hygienischen Maßnahmen müssen penibel erfüllt werden. Und ganz wichtig, man muss sich den kleinen Australiern widmen und sie am Familienleben teilhaben lassen.
Die richtige Bewährungsprobe folgt dann, wenn Krankheiten oder Probleme auftreten:
Wenn man einen Vogel fangen muss, um mit ihm einen vogelkundigen Tierarzt aufzusuchen. Wenn man versuchen muss, auf der Arbeit früher Feierabend zu machen, weil ein geeigneter Tierarzt oftmals nur über einige Kilometer Autobahn erreicht werden kann. Wenn man die Wartezeit in der Praxis in Betracht ziehen muss. Wenn dann die Rechnung bezahlt werden muss. Wenn dann die Behandlung zu Hause weitergeführt werden muss. Zweimal täglich fangen, die Medizin mit Hilfe einer Spritze in den Schnabel verabreichen, das macht nicht nur dem Vogel Stress.
Nicht immer versteht sich das erworbene Paar. Es kommt zu Streitigkeiten. Vielleicht entpuppt sich das gewollte Paar als zwei Hennen. Ist man bereit um zwei Hähne aufzustocken, um ein harmonisches Gleichgewicht zu erreichen. Stirbt ein Vogel, kann der Partner nicht alleine bleiben. Was tut man dann? Das Beste für den verwitweten Vogel wäre ein neuer Partner. Leicht gerät man so in eine Dauerschleife, die deutlich über die mögliche Lebenszeit von 15 Jahren hinausgeht.
Egal für welche Vögel man sich interessiert. In jedem Fall muss man sich vor einer Entscheidung über die jeweilige Art ausgiebig informieren. Dabei spielen die eigenen Lebensumstände und auch zukünftigen Ziele eine entscheidende Rolle. Die zentrale Frage muss sein: Passen die Vögel in mein derzeitiges Lebensumfeld und in meine Lebensplanung? Kann ich der Art, die ich halten möchte, ein artgerechtes Leben über viele Jahre gewährleisten? Bin ich ausreichend informiert über Bedürfnisse und Verhalten der Vögel, die ich halten möchte? Ist mir bewusst, dass einige Arten deutlich komplizierter in der Haltung sind, als es bereits Wellensittiche sind? Wenn Zweifel an den Voraussetzungen für die Haltung der gewünschten Art bestehen, sollte man sich im Interesse der Vögel, so schwer es auch fallen mag, gegen den Kauf entscheiden. Möglicherweise gibt es aber Vögel, denen man eine liebevolle und artgerechte Haltung ermöglichen kann.
###advertiser_two###Wellensittiche gehören dabei sicher zu den Vögeln, die bei ausreichender Information und Planung eher geringere Probleme bei der Haltung machen als beispielsweise Amazonen. Man darf aber auch bei ihnen, wie oben aufgezeigt, die Ansprüche, die sie an die Haltung stellen, nicht unterschätzen. Ebenso dürfen sie keine Lückenbüßer oder Vögel zum Ausprobieren sein, ob die Vogelhaltung das Richtige ist, bevor man sich an die teuren Papageien heranwagt.
Es darf auch nicht Aufgabe von Tieren sein, dass Kinder an ihnen Verantwortung lernen. Genau umgekehrt muss der Weg sein. Erst wenn Kinder nachgewiesen haben, dass sie Verantwortung übernehmen können, sollten sie mit der Haltung und Pflege eines Tieres betraut werden.
Leni