Können ein blauer Wellensittich und ein weißer Wellensittich ein grünes Küken ausbrüten? Diese Frage beantwortet die Genetik, die Lehre von der Vererbung verschiedener körperlicher Merkmale.
Die Gefiederfarbe wird durch verschiedene Farbpigmente und den Aufbau der Federn bestimmt, mehr dazu erfahrt ihr hier.
Welche dieser Farben bei einem einzelnen Wellensittich auftritt, wird von seinen Erbanlagen bestimmt. In der Desoxyribonukleinsäure, kurz DNS (einem langen Molekül, das die Erbinformation enthält), sind in Form von Aminosäuren alle Informationen codiert, die für den Aufbau unseres Körpers und für verschiedene Eigenschaften wie Augen-, Fell- oder eben auch Gefiederfarben wichtig sind. Vereinfacht ausgedrückt gibt es für jedes „Merkmal“, das ein Tier aufweist, in diesem Fall das Vorhandensein eines Pigmentes im Gefieder, ein so genanntes Allel, also ein Exemplar des zuständigen Gens.
Wenn sich zwei Wellensittiche paaren, geben sie über
Chromosomen solche Erbinformationen an ihre Küken weiter. Das
Jungtier bekommt jeweils die Hälfte der Erbanlagen von der
Mutter, die andere Hälfte vom Vater: Zwei Gene für jeden
Typ, jeweils eines von jedem Elternteil.
Oft ist es so, dass ein Allel, eine Eigenschaft, entweder
„rezessiv“ oder „dominant“ sein kann: Der
Vogel besitzt dann zwei verschiedene Allele, die für dieselbe
Eigenschaften zuständig sind – dabei setzt sich das
dominante Allel gegen das rezessive durch. Dominante Gene werden
mit Großbuchstaben bezeichnet, rezessive Gene dagegen mit
kleinen Buchstaben. Als dritte Möglichkeit können die
beiden Allele auch intermediär sein, das bedeutet, ihre
Eigenschaften „mischen“ sich: hat zum Beispiel eine
Pflanze zwei intermediäre Allele für rote und weiße
Blüten, so bekommt sie rosafarbene Blüten.
Ein Beispiel: Ein Wellensittich besitzt zwei Allele für das
Vorhandensein von Psittacin – ein gelber Farbstoff im
Gefieder. Das Allel „G“ ist dominant: Es bewirkt, dass
der Farbstoff gebildet wird, damit sind die Federn gelb. Das Allel
„g“ ist rezessiv: Es bewirkt, dass der Farbstoff fehlt
und der Sittich an den eigentlich gelben Stellen weiß wird.
Ein Wellensittich der die Allelkombination Gg hat, wird also gelb
werden – weil das dominante G für „Farbstoff
vorhanden, Federn gelb“ sich gegen das rezessive g
„Farbstoff nicht vorhanden, Federn nicht gelb“
durchsetzt. (Der Buchstabe G wurde hier der Einfachheit halber
gewählt. Prinzipiell kann man dem Allel einen beliebigen Namen
geben; bei Züchtern setzt sich meist eine einheitliche
Bezeichnung durch).
Die blaue Färbung wird, wie in der Farbgebung erklärt, hauptsächlich
durch den Farbstoff Eumelanin im Federkern (im Zusammenspiel mit
einer bestimmten Struktur der Zellschichten) hervorgerufen. Auch
diese Eigenschaft wird durch ein Allel bewirkt: „B“
steht für ein dominantes „Farbstoff vorhanden, Feder
blau“, „b“ für ein rezessives
„Farbstoff nicht vorhanden, Feder nicht blau“.
Tatsächlich sind bei der Vererbung meistens mehr Gene
beteiligt als man denkt – bei Gefiederfarben spielen zum
Beispiel auch Erbanlagen für die Zellstruktur der Federn eine
Rolle, wodurch graue oder violette Sittiche entstehen. Die Gene
beeinflussen einander auf vielfältige und oft komplexe Weise,
die bis heute nicht vollständig geklärt ist; um das
Grundprinzip zu verdeutlichen, gehen wir aber von einfacheren
Annahmen aus.
Ob ein Vogel blau, gelb, grün oder weiß wird, wird
also durch vier Allele bestimmt: Zwei für das Vorhandensein
des Psittacins für Gelbfärbung, zwei für das
Vorhandensein von Eumelanin für die Blaufärbung. Das
dominante Allel, dargestellt durch einen Großbuchstaben,
bewirkt dabei immer die sichtbare Ausprägung der jeweiligen
Farbe.
Ein Welli mit den Erbanlagen GgBb besitzt demnach sowohl Psittacin
(für „gelb“) als auch Eumelanin (für
„blau“) und wird grün – genauso wie jeder
andere Vogel, der mindestens ein G und ein B besitzt.
Welche Rolle spielen dann überhaupt die rezessiven
Allele?
Diese werden interessant, sobald man Wellensittiche mit den
gleichen rezessiven Allelen kreuzt. Die Grafik im nächsten
Abschnitt veranschaulicht dies. Zunächst kreuzt man zwei
reinerbig blaue bzw. gelbe Wellensittiche (deren Eltern also
ebenfalls beide blau bzw. gelb waren und die daher keine rezessiven
Anlagen für andere Gefiederfarben tragen): Diese haben die
Erbanlagen GGbb – also zweimal das Allel für
„gelb“ und zweimal das für „nicht
blau“ bzw. ggBB (analog). Man spricht von der
Parentalgeneration (= „Elterngeneration“).
Ihre Küken bekommen von jedem Elternteil jeweils einen
Buchstaben – haben also alle die Kombination GgBb. Wir nennen
sie die „Erste Filialgeneration“. Natürlich sehen
sie dann alle grün aus. Aber was man ihnen nicht ansieht, sind
die rezessiven Anlagen für das Fehlen der Farbstoffe! Diese
werden bei ihnen zwar selbst nicht in den Gefiederfarben sichtbar,
können aber an die nächsten Küken weitergegeben
werden, an die „Zweite Filialgeneration“.
Wir stellen uns vor, dass wir zwei Wellensittiche mit jeweils einem reinerbig gelben und einem reinerbig blauem Sittich miteinander kreuzen. Die Küken können von jedem Wellensittich entweder ein „b“ bzw. „g“ Allel oder aber ein „G“ bzw. „B“ Allel erben, sodass verschiedene Kombinationen ermöglicht werden. Nun kann ein Vogel von einer Eigenschaft auch zwei rezessive Allele besitzen, z.B. die Kombination ggBB – und weil das rezessive „g“ für „keine gelben Federn“ nicht durch ein dominantes G unterdrückt wird, wird dieser Vogel ausschließlich blau mit weißem Gesicht, da der gelbe Farbstoff nun fehlt. Entsprechend können auch grüne, gelbe und weiße Sittiche auftreten.
Jetzt können wir die Frage vom Anfang beantworten: Ein weißer Wellensittich muss die Kombination bbgg besitzen – besäße er ein G oder B, so wäre er blau, grün oder gelb, da dieses Allel dominant ist. Ein blauer Wellensittich hat die Kombination ggBb oder ggBB, sonst wäre er gelb oder grün. Ein grüner Welli bräuchte aber neben einem B- auch ein G-Allel. Das kann er aber weder von Mutter noch von Vater bekommen. Ein weißer und ein blauer Wellensittich können also keine grünen Küken ausbrüten!
Andere Farbnuancen wie die Helligkeit oder Variationen der
Wellenzeichnung werden ebenfalls über bestimmte Allele
vererbt: Wenn ein Wellensittich diese Eigenschaft als
„Doppelfaktor“, also von beiden Elternteilen, erbt, hat
er wiederum eine andere Farbschattierung als wenn er nur von einem
Elternteil das entsprechende Allel erhält und von dem anderen
eines des „normal gefärbten“ Wildtyps.
Außerdem können Gene als Bestandteile der Chromosomen
auch „stückweise“ ausgetauscht und neu kombiniert
werden, sodass sich aus denselben Grundfarben beim Nachwuchs andere
Schattierungen ergeben können.
Blueberry