Diese Geschichte schickte uns Felicia aus Haubinda.
Um mich herum ist es dunkel. Ich sitze auf einer Stange in so einem komischen Kasten. Es ist ganz still und ein wenig unheimlich. Ich weiß gar nicht, wie lange ich schon hier bin, die Zeit scheint kein Ende zu nehmen.
Mein Name ist übrigens Maxi. Und ich bin ein Wellensittich. Aufgewachsen bin ich mit vier Geschwistern und natürlich bei meinen Eltern, die immer gut für uns gesorgt haben. Abends haben wir immer zusammen gesungen, bevor wir eingeschlafen sind und haben zusammen gekuschelt. Feder an Feder.
Jetzt sitze ich hier ganz alleine. Ein Wesen ohne Federn ist in diesem Laden vorbei gekommen, in den uns der Federlose gebracht hat, als wir alt genug waren und fliegen konnten. Zuerst hatte ich Angst, ich wollte doch bei meiner Familie blieben! Aber dann habe ich gemerkt, das es dort noch andere Wellis gibt. Zusammen ist man nicht mehr so einsam. Ich hatte weniger Angst.
Aber dann ist etwas passiert. Ich wurde in eine dunkle Schachtel gesperrt, mit ein paar Löchern. Zuvor hat mich jemand ausgesucht. Ich war stolz! Immerhin habe ich wunderschöne, blaue Federn und tolle Flügel. Mein Köpfchen ist etwas gelb. Das habe ich von meiner Mama.
Ich denke sehr oft an meine Familie. Denn seit ich hier bin, spricht niemand mit mir. Zuerst haben die Federlosen mich besucht, in so einer komischen Sprache mit mir geredet, die ich nicht verstanden habe. Ich habe versucht, mit ihnen zu reden, meine schönsten Lieder zu singen. Aber irgendwann kam niemand mehr. Oft habe ich noch gerufen, aber niemand ist gekommen. Irgendwann habe ich aufgehört zu singen. Mein Schnabel ist verstummt.
Hab ich denn etwas falsch gemacht? Wieso spielt niemand mit mir? Wieso singt keiner mit mir? Schläft mit mir auf der Schaukel? Ich verstehe nicht, wieso keiner mehr zu mir kommt. Ich habe entsetzliche Angst. Es ist dunkel.
###advertiser###Am besten ich schließe meine Augen und denke ganz fest an meine Familie. Dann kann ich die Gesänge meiner Geschwister hören und bin nicht mehr so alleine. So geht die Zeit vielleicht schneller vorbei. Ich schließe meine Augen. In meinen Gedanken bin ich in einem großen Welli Schwarm und fliege mit den anderen um die Wette.
Mama hat uns immer Geschichten erzählt von unseren Verwandten in Australien. Dort leben sie in riesigen Schwärmen und keiner muss alleine sein. Das finde ich schön. Wie gerne würde ich mit ihnen fliegen. Dann wäre ich sicher. Dann müsste ich keine Angst haben. Keine Angst vor jedem neuen Tag, den ich alleine verbringen muss.
Ein Wellensittich ohne einen Kumpel ist kein Wellensittich. Niemand, der seine Sprache spricht, mit ihm um die Wette fliegt, das Köpfchen krault und mit ihm singt, kuschelt und schimpft. Ein Wellensittich allein unter Menschen verstummt und verkümmert an der Einsamkeit. Trotzdem gibt es Menschen, die denken, auch ein einzelner Welli ist glücklich. Aber niemand kann leben ohne zu atmen. Und ebenso kein Welli ohne Partner. Nur ein Welli kann die Sprache des anderen sprechen, mit ihm singen, schimpfen und fliegen. Nur zusammen können sie sich beschützen und sicher fühlen. Denn nur zu zweit ist ein Welli ein Welli. Keiner ist gerne allein. Auch ein Welli nicht.