Das Flügelstutzen ist eine vor allem in Amerika weit verbreitete Art und Weise, die Flugfähigkeit von Wellensittichen und anderen Vogelarten einzuschränken, indem man die Schwungfedern der Flügel abschneidet. Je nachdem, wie weit die Flügel beschnitten werden, kann die Flugfähigkeit reduziert werden oder der Vogel kann komplett flugunfähig gemacht werden. Das Thema wird kontrovers diskutiert.
Die Arten des Flügelstutzens unterscheiden sich dadurch, wie viele Federn abgeschnitten werden und dementsprechend auch, wie viele Federn dem Vogel zum Fliegen noch bleiben. Auch die Länge der verbliebenen Federn spielt dabei eine Rolle. Werden weniger Federn abgeschnitten und wird weniger stark gekürzt, bleibt die Flugfähigkeit mit Einschränkungen erhalten, wird sehr stark gestutzt, geht sie komplett verloren. Meist wird etwa ein Drittel bis zu der Hälfte der Länge der Feder abgeschnitten.
Es gibt jedoch auch noch eine Methode, bei der weniger Federn abgeschnitten werden, diese werden jedoch fast bis zum Kiel gestutzt. Diese Stummel bereiten dem Vogel ein sehr unangenehmes Gefühl und bergen durch ihre Starrheit auch ein gewisses Verletzungsrisiko. Auch bei der Mauser ist dies eine Gefahrenquelle, da neue Blutkiele nicht mehr durch normale Federn verdeckt werden. Dementsprechend können sie leichter verletzt werden, was zu starken Blutungen bis hin zum Verbluten führen kann. Die meisten Vögel können ihre Flugfähigkeit zurückbekommen, wenn die Federn wieder nachwachsen. Ein unsachgemäßes Stutzen ist sehr gefährlich, da die Blutgefäße in neuen Federn verletzt werden können und der Vogel sein Leichtgewicht beim Flug verlieren kann. Beides kann im schlimmsten Falle zum Tod führen.
Neben diesen Arten des Flügelstutzens gibt es einige Vogelhalter, die noch einen Schritt weiter gehen. Hier werden den Tieren ganze Teile der Flügel amputiert, um die Flugfähigkeit einzuschränken und nicht ständig nachschneiden zu müssen. Ist das normale Flügelstutzen nach § 2, Absatz 2 des deutschen Tierschutzgesetzes möglicherweise schon als Tierquälerei zu interpretieren (das Gesetz sagt aus, dass es verboten ist, die Bewegungsfähigkeit des zu betreuenden Tieres nicht so einzuschränken ist, dass es Schmerzen, vermeidbare Schäden oder Leiden verursacht), spricht das Gesetz hier eine noch deutlichere Sprache. So fällt die Teilamputation von Gliedmaßen nach §6 unter Tierquälerei und kann somit zur Anzeige gebracht werden: "Verboten ist das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres. [...]" (Quelle: TierSchG, §6))
Der ehemalige Besitzer dieses Nymphensittichs war der Meinung, der Vogel würde schneller zahm, wenn er nicht fliegen kann. Daraufhin wurde ein Teil des Flügels einfach abgeschnitten.
Das Flügelstutzen wird von vielen Menschen propagiert, da es den Vogel vom Entfliegen abhalten soll, zudem soll das Verletzungsrisiko durch Kollisionsunfälle verringert werden.
Wenn es dem Halter jedoch darum geht, dass das Entfliegen verhindert werden soll, muss man im Hinterkopf behalten, dass die Federn erstens ständig nachwachsen und daher auch ständig nachgeschnitten werden müssen, damit es nicht doch zu einer bösen Überraschung kommt. Andererseits stellt sich auch die Frage, wo denn der Vogel nicht entfliegen soll. Geht es um eine reine Haushaltung, gibt es genug Maßnahmen, die man ergreifen kann, um die Fenster zu sichern, daher ist die Einschränkung der Flugfähigkeit nicht notwendig. Geht es darum, dass der Vogel auch draußen nicht entfliegen soll, muss man beachten, dass draußen durch den Wind ganz andere Verhältnisse herrschen. Ein Vogel, bei dem genug Flugfähigkeit belassen wurde, damit er noch nach unten segeln und sich bei Stürzen abfangen kann, hat oftmals bei Wind dennoch die Möglichkeit, zu fliegen. Dementsprechend ist hier keine Sicherheit gegeben.
Kürzt man die Federn allerdings so weit, dass auch draußen kein Flug mehr möglich ist, steigt das Verletzungsrisiko enorm. Der Vogel hat nicht mehr die Möglichkeit, sich bei Stürzen abzufangen und braucht möglicherweise auch eine ganze Weile, bis er sich daran gewöhnt hat, dass er nicht mehr fliegen kann. In dieser Zeit und auch danach kann es zu tödlichen Unfällen kommen, die durch Aufschläge auf harten Oberflächen entstehen. Diesem Risiko sollte man seinen Wellensittich nicht aussetzen.
Auch das Argument, dass der Vogel so vor Kollisionsunfällen durch Schreckreaktionen geschützt sei, hat keine Basis. Es gibt keine Beweise dafür, dass gestutzte Vögel weniger Unfälle haben. Sie können zwar nicht mehr in Panik gegen Fenster und Gegenstände fliegen, sie können allerdings ganz andere Unfälle haben (Abstürze, es wird unter Umständen auf sie getreten etc.). Auch wird ihre Fähigkeit zu bremsen durch das Schneiden der Federn verringert, sodass sie mit viel höheren Geschwindigkeiten landen müssen als normal flugfähige Vögel. Dies birgt wiederum ein großes Risiko.
Auch der Faktor der Zahmheit spielt für die Befürworter des Flügelstutzens oftmals eine Rolle. Es wird hier davon ausgegangen, dass ein Vogel dadurch, dass er seine Flugfähigkeit nicht mehr voll zur Verfügung hat, eine engere Bindung an seinen Besitzer entwickelt. Einerseits, weil nicht mehr in dem Maße Fluchtreaktionen möglich sind und andererseits auch, weil der Vogel dadurch eher auf die Hilfe seines Besitzers angewiesen ist. Es lässt sich beobachten, dass Wellensittiche, die durch eine Gefiederstörung flugunfähig sind teilweise weniger Scheu vor dem Menschen haben. Das liegt daran, dass sie abhängiger sind und mehr vom Menschen herumgetragen werden müssen, vor allem um weitere Strecken zurückzulegen oder um an höhere Plätze zu gelangen. Allerdings lässt sich das keinesfalls verallgemeinern.
Als Gegenargument kann man hier bringen: wer möchte ein Tier, dass sich an den Besitzer bindet, weil es nicht anders kann? Was ist dieses Vertrauen dann wert? Wer sich um seine Vögel kümmert, sich viel mit ihnen beschäftigt und ihnen zeigt, dass durch den Menschen keine Gefahr droht, der wird sich auch so das Vertrauen der Tiere erarbeiten. Zudem hängt die Zahmheit eines Wellensittichs vom Charakter ab. Manche Wellensittiche werden einfach nicht zahm, da wird dann auch das Stutzen der Flügel nicht helfen.
###advertiser_one###Des Weiteren wird das Stutzen der Flügel durchgeführt, um aggressive Tiere handhabbarer zu machen. Dies kommt vor allem bei größeren Papageienarten vor, die auch eine Flegelphase durchmachen, in der es für den Besitzer teilweise schwer ist, mit dem Vogel umzugehen und mit seinen Aggressionen klarzukommen. Auch die Zerstörungswut einiger Vögel spielt hier eine Rolle, hier ist das Argument, dass man den Vogel leichter davon abhalten kann, an Plätzen zu landen, an denen er nichts zu suchen hat, und beispielsweise Bücher oder andere Gegenstände zu zerstören.
Zum Thema Aggressivität lässt sich sagen, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, dem Vogel ein aggressives Verhalten abzugewöhnen. Beispielsweise mit der Methode des Klickerns lassen sich Befehle und Kommandos festlegen, die eine Handhabung des Tieres möglich machen, ohne dass die Flügel beschnitten werden müssen. Außerdem stellt sich auch hier in vielen Fällen die Frage: warum ist der Vogel aggressiv? Oftmals liegt einem stark aggressiven Verhalten ein bestimmter Auslöser zugrunde. Findet man diesen heraus und beseitigt ihn, normalisiert sich das Verhalten oftmals schon und es sind keine weiteren Maßnahmen notwendig, um das Verhalten des Vogels zu verbessern.
Auch die Zerstörungswut lässt sich besser dadurch eindämmen, dass man dem Tier angemessene Möglichkeiten bietet, seinen Nagetrieb auszuleben. Wenn man dann feststellt, dass immer noch bestimmte Gegenstände ein beliebtes Ziel für Nageattacken bleiben, kann man sie entweder aus dem Raum entfernen oder aber an einer unzugänglichen Stelle aufbewahren, beispielsweise im Schrank. Teilweise reicht es auch schon, die Gegenstände für eine Weile zuzuhängen, um das Interesse an ihnen verblassen zu lassen.
Flügelstutzen ist gefährlich und geht mit vielen Einschränkungen für den Vogel einher. Auch die für den Einsatz des Stutzens hervorgebrachten Argumente lassen sich, wie man bereits sehen konnte, entkräften. Neben der Entkräftung dieser pro-Argumente gibt es noch viele weitere Gründe, die Flügel von Vögeln nicht zu stutzen.
Erstens ist die Schreckreaktion, die den Vogel dazu bringt, wegzufliegen, ganz natürlich, da Vögel Fluchttiere sind. Nimmt man ihnen die Möglichkeit, ihre Erregung so abzubauen, werden sie sich andere Kanäle suchen. Dies kann zum Beispiel eine starke Aggression sein, die dazu führt, dass die Vögel vermehrt beißen. Insbesondere bei großen Papageien ist das nicht nur schmerzhaft, sondern sogar sehr gefährlich, denn da kann auch mal ein Fingerknochen zu Bruch gehen. Auch kann es passieren, das die Vögel keine Möglichkeit finden, ihre Angst abzubauen und so Verhaltensstörungen entwickeln.
Zweitens ist es für die körperliche Gesundheit von Vögeln wichtig, zu fliegen. Im Haus gehaltene Wellensittiche neigen ohnehin schon zur Fettleibigkeit, gibt es nicht die Möglichkeit, die Kalorien durch Flug zu verbrennen, besteht das Risiko von Übergewicht und damit einhergehend Lipomen, Ballengeschwüren, Diabetes und vieles mehr. Das Klettern und Laufen, was den gestutzten Wellensittichen noch zur Verfügung steht, ist keine ausreichende Alternative. Auch die Flugmuskulatur verkümmert, sodass die Vögel möglicherweise auch nicht wieder zu fliegen beginnen, wenn die Federn nachwachsen.
Als letztes muss man sich auch darüber im Klaren sein, dass das Fliegen die natürliche Fortbewegungsart von Vögeln ist. Das bedeutet, dass man einen Vogel durch das Flügelstutzen zu einem behinderten Vogel macht. Hier sollte man sich die Frage stellen, ob man das Recht hat, eine Behinderung bei einem Tier absichtlich herbeizuführen, um persönlich einen Vorteil daraus zu ziehen. Dies halten wir für ethisch sehr bedenklich und möchten uns daher, und auch aufgrund der genannten Argumente, von der Praktik des Flügelstutzens distanzieren. Wer kein Tier möchte, das fliegt, hat immer die Möglichkeit, sich statt eines Vogels ein ohnehin schon flugunfähiges Tier anzuschaffen. Flügelstutzen ist eine grausame Praktik, die an Tierquälerei grenzt, daher ist es wichtig, dagegen vorzugehen.
twixx_87