Immer wieder liest man die berechtigte Fragestellung von Tierliebhabern, ob denn eine gemeinsame Haltung von Meerschweinchen (cavia porcellus) und Wellensittichen (mellopsittacus undulatus) in einem Raum verantwortungsvoll möglich ist. Man kann zu dieser Thematik sehr unterschiedliche Meinungen lesen. Unser Ziel ist es deshalb nicht von vorneherein eine Antwort zu geben, sondern aufzuzeigen, was die Grundbedürfnisse der einzelnen Tierarten sind, was es bei einer eventuell gemeinsamen Haltung zu beachten gibt und daraus folgend ein Gesamtbild zu schaffen, nachdem sich jeder seine eigene Meinung zu diesem Thema bilden kann. Denn letztendlich obliegt es jedem Halter und dessen Verantwortung selbst, eine Antwort und Entscheidung zu dieser Fragestellung zu finden.
Grundsätzlich sei gesagt, dass beide Tierarten von unterschiedlichen Kontinenten stammen. Während der Wellensittich ursprünglich bekanntermaßen vom australischen Kontinent stammt, kommt das Meerschweinchen aus Südamerika. Dort besiedelt es weitläufig die unterschiedlichsten Gegenden vom flachen Weideland bis hin zu gebirgigen Ebenen. Es ist sehr anpassungsfähig und durchaus flexibel und robust. Eben ein ursprüngliches Wildtier, dass sich in der Natur behaupten und Strategien entwickelt musste, um sich seiner Umwelt anzupassen und zu überleben. Auch wenn die domestizierte Form natürlich empfindlicher erscheinen mag, so sollten wir nicht vergessen, dass die Tiere oft viel stabiler sind, als sie durch ihre Körpergröße und den Niedlichkeitsfaktor glaubhaft machen wollen.
Natürlich handelt es sich beim Meerschweinchen um eine komplett andere Tierart als beim Wellensittich. Dennoch verbinden die beiden Tierarten schon einige grundlegende Gemeinsamkeiten, die ein Zusammenleben im gleichen Raum unter gewissen Voraussetzungen zumindest schon einmal nicht unbedingt ausschließt. Gäbe es K.O. Kriterien, wie zum Beispiel Unterschiede in der Tagesaktivität (Tagaktiv-Nachtaktiv), wäre von einer gemeinsamen Haltung auf jeden Fall abzusehen. Deshalb hier eine kleine Gegenüberstellung, die grob erfasst, welche Gemeinsamkeiten vorliegen, aber auch zu welchen Unterschieden und evtl. Konfliktpunkten es bei einer gemeinsamen Haltung kommen könnte. Werden diese Kriterien und Punkte jedoch erfasst, in einen sinnvollen Zusammenhang gebracht und als Maßnahme umgesetzt, lassen sich gute Lösungen erarbeiten, um beiden Tierarten durchaus mehr als gerecht werden zu können. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass beide Tierarten gleichermaßen berücksichtigt werden.
Anhand des Vergleiches ergeben sich neben Übereinstimmungen wie z.B. der aktiven Zeit auch mögliche Konfliktpunkte, die eine Haltung von Meerschweinchen und Wellensittichen im gleichen Raum nur unter gewissen Bedingungen zulassen würde. Welches genau diese Konfliktpunkte sein könnten und wie man sie am besten umgehen kann, wollen wir gerne konstruktiv aufzeigen.
Wellensittich | Meerschweinchen | |
Klasse | Vögel (Aves) | Säugetiere (Eutheria) |
Ordnung | Papageien (Psittaciformes) | Nagetiere (Rodentia) |
Familie | Eigentliche Papageien (Psittacidae) | Meerschweinchen (Caviidae) |
Art | Wellensittich (mellopsittacus undulatus) | Hausmeerschweinchen (Cavia porzellus) |
Herkunft | Australien | Südamerika |
Aktive Phase | Tagaktiv | Tagaktiv |
Sozialverhalten | Schwarmtiere | Gruppen-/ Rudeltiere mit Rangordnung |
Nahrung | Körner-/ Saatenfresser, außerdem pflanzliche Nahrung | Pflanzen, keine Körner-/ oder Getreidefresser! |
Wesen | neugierig, offen, aktiv, lebendig-quirlig | neugierig, verlieren bei Bekanntem schnell die Scheu |
Verhalten allgemein | erkunden gerne ihre Umgebung | erkunden gerne ihre Umgebung und benötigen Versteckmöglichkeiten zum Rückzug |
Platzbedürfnis | benötigen täglich mehrstündigen Freiflug | pro Tier ca. 1 m2 oder großen Auslauf |
Umgang | keine Kuscheltiere, können aber zutraulich werden | keine Kuschel-/ oder Streicheltiere, können aber zutraulich werden |
Lautstärke | können in aktiver Phase durchaus laut werden, sind sehr kommunikationsfreudige Tiere | sind kommunikationsfreudige Tiere und zeitweise empfindlich gegenüber sehr lauten, unvertrauten Geräuschen |
Die Tagesaktivität ist bei beiden Tierarten gleich, woraus sich also kein Konfliktpunkt ergibt. Auch das Sozialverhalten ist ähnlich, wenn auch nicht vergleichbar. Beide Tierarten leben in Gruppen bzw. im Schwarm und können somit nicht ohne arteigenen Partner leben. Bei Wellensittichen wird mindestens ein Partner empfohlen, bei Meerschweinchen ebenfalls. Beide Tierarten zeigen sich gegenüber ihrer Umwelt aufgeschlossen und sofern Meerschweinchen wie auch Wellensittiche sich gegenseitig kennengelernt haben und vertraut miteinander sind, akzeptieren sie sich ohne Fluchtreflex oder ähnliche Vorfälle, ohne weitere Probleme.
Wichtig ist bei einer Neuvergesellschaftung im gleichen Raum beide Tierarten genau zu beobachten und ggf. einzugreifen, sofern es nötig werden sollte. Dies kommt jedoch nur in den seltensten Fällen vor. Haben sich Meerschweinchen wie auch Wellensittiche an die jeweils andersartige Geräuschkulisse gewöhnt, zeigen sie sich offen und neugierig gegenüber der anderen Art und senden beidseits keinerlei Anzeichen von Stress oder Aggression.
Auch wenn die Wellensittiche durchaus laut werden können in ihren aktiveren Stunden, zeigen sich die meisten Meerschweinchen davon meist unbeeindruckt. Immer wieder begegnet man Aussagen, dass sich Meerschweinchen mit ihren geräuschempfindlichen Nagerohren zu sehr durch die lauten Wellensittiche gestört fühlen. Natürlich ist dies individuell und sollte auf jeden Fall bei gemeinsamer Unterbringung besonders Augenmerk erhalten. Denn keine der beiden Tierarten soll dauerhaft unter Stress stehen oder leiden. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass Meerschweinchen sehr schnell ihre Umgebungsgeräusche kennen und sich genauso entspannt verhalten, als wären sie alleine im Raum untergebracht.
Erkennt man dennoch Stressanzeichen oder sendet das Nagetier Signale die Stress anzeigen (Unruhe bei Meerschweinchen, Aggression, Krankheitsanzeichen, die durch Stress begünstigt auftreten) müssen diese natürlich unbedingt ernst genommen werden. Sofern die Umsetzung von Maßnahmen, wie z.B. einrichten von mehreren Rückzugsmöglichkeiten keine Besserung bringt, muss von einer weiteren gemeinsamen Unterbringung Abstand genommen werden.
Zu beachten ist, dass für eine gemeinsame Unterbringung auch das große Platzangebot beider Tierarten berücksichtigt werden muss. Während sich dies bei Wellensittichen auf die Grundfläche des Käfigs oder der Voliere bezieht und durch das Platzangebot für täglich mehrstündigen Freiflug erweitert wird, benötigen Meerschweinchen eine große Grundfläche, um artgerecht untergebracht zu werden. Die handelsüblichen, oft zu kleinen Käfige sind eher ungeeignet und können durch einen einfachen Eigenbau ersetzt werden, der pro Tier etwa 1 Quadratmeter Grundfläche haben sollte. Nur dadurch kann dem Meerschwein ebenso wie dem Vogel dauerhaft genug Platz zugestanden werden. Der Raum zur gemeinsamen Unterbringung muss also dementsprechend groß genug sein um beiden Tierarten die benötigte Grundfläche bereitstellen zu können.
Da beide Tierarten nach Gewöhnung recht neugierig aufeinander sind, sollte besonders bei Eigenbauten von offenen Meerschweinchen Gehegen darauf geachtet werden, dass es besonders viele Rückzugsmöglichkeiten für die Meerschweinchen gibt. Geeignete Häuschen, Tunnel, Höhlen und Röhren stellen einen optimale Rückzugsorte für die Meerschweinchen dar. Des Weiteren ist dringend darauf zu achten, dass sich über dem Gehege der Meerschweinchen keine Sitzplätze für die Wellensittiche befinden. Dies würde zur Folge haben, dass zu viel Kot ins Revier der Meerschweinchen gelangt und dieses verschmutzt. Kein Meerschweinchen möchte gerne in Vogelexkrementen sitzen. Schaukeln, Vogelbaum oder Sitzgelegenheiten sind also so anzubringen, dass einer Verschmutzung des Nagergeheges vorgebeugt ist.
Ein Konfliktpunkt könnte bei offenen Gehegen während des Freifluges auch das Futter werden. Da Meerschweinchen jedoch entgegen der leider noch weit verbreiteten Sitte, getreidefrei ernährt werden sollten, mit ausschließlich pflanzlicher Kost (Frischfutter, Gemüse und Grünfutter) sowie viel Heu, stellt auch dies in der Regel keine Gefahr für Wellensittiche dar. Wer trotzdem Getreide an seine Meerschweinchen verfüttert, sollte dies zu Zeiten bereit stellen, in denen die Vögel keinen Zugang dazu finden. Knabbert ein Wellensittich an einem getreidefreien Pellet oder einer Erbsflocke, trägt er keinen gesundheitlichen Schaden davon. Da es seiner Kostform nicht entspricht, wird er schnell die Lust daran verlieren. Teilen sich Wellensittiche und Meerschweinchen ein Blatt Salat gilt es lediglich darauf zu achten, dass ein futterneidisches Meerschwein nicht auf einen gierigen Wellensittich losgeht. Doch auch hier zeigt die Erfahrung, dass diese Konfrontationen fast ausschließlich ohne Probleme von statten gehen und der Vogel meist schon wegfliegt, wenn ihm das Meerschweinchen allzu nahe kommt.
Wie deutlich erkennbar ist, ist eine gemeinsame Haltung von Meerschweinchen und Wellensittichen also unter gewissen Voraussetzungen möglich und durchaus praktikabel ohne dabei einer Tierart nicht ausreichend gerecht zu werden. Dieser Artikel gibt nun hoffentlich eine gute Grundlage zur Entscheidungsfindung bei potentiellen Überlegungen und Planungen. Wer mehr zum Thema lesen möchte, hat die Möglichkeit sich durch die persönlichen Erfahrungsberichte von Usern ein detaillierteres Gesamtbild zu verschaffen.
Alles in allem sei gesagt, wer Wellensittichen ein gutes Zuhause bietet, bei dem kann es auch den Meerschweinchen nicht schlecht gehen.
Ive84