Milben gehören zu den häufigsten parasitären Erkrankungen mit denen ein Tierbesitzer kämpfen muss. Besonders bei Wellensittichen sind die Grabmilben ein verbreitetes Leiden, welches - wird es schnell und richtig versorgt - gut zu behandeln ist. Es gibt jedoch einiges, was der Halter dabei wissen und beachten sollte, damit seinem Vogel unnötige Schmerzen erspart werden.
Bei den Grab- oder Räudemilben handelt es sich um Ektoparasiten, also solche, die sich außerhalb des Körpers ansiedeln und nicht etwa innere Organe wie den Darm oder die inneren Atemwege der Wirte befallen. Die Milbenweibchen, der Spezies Knemidocoptes pilae, werden etwa 0,4 x 0,3 mm groß, sodass sie für das bloßen Auge nicht sichtbar und auch nur schwer mit einer Lupe zu erkennen sind.
Während ihrer Lebensdauer von 12 bis 21 Tagen durchlaufen die Milben mehrere Entwicklungsstadien: Die Eier werden von den weiblichen Tieren in die von ihnen in die Haut gebohrten Tunnel abgelegt, aus denen nach drei bis fünf Tagen Larven schlüpfen. Diese häuten sich in ihrem weiteren Leben mehrmals und durchlaufen zwei Nymphenstadien. Nach der letzten Häutung sind sie zur ausgewachsenen und fortpflanzungsfähigen Milbe herangewachsen. Die kleinen Spinnentiere besiedeln nur ihren Wirt, genauer gesagt sitzen sie in der Oberhaut, der so genannten Epidermis, des befallenen Vogels.
Die Erkrankung, welche die Parasiten hervorrufen, ist unter mehreren Synonymen bekannt: Knemidokoptesräude, Schnabelräude, Schnabelschwamm, Kalkbeinräude oder auch Vogelräude.
In der Umgebung, wie im Käfig oder auf Spielplätzen, können die Grabmilben nicht überleben, so dass bei einem Befall mit diesen Parasiten eine Desinfektion mit scharfen Mitteln nicht nötig ist. Das gleiche gilt für das Abwaschen von Käfig und Stangen mit heißem Wasser. Es reinigt zwar, bekämpft aber keine Parasiten. Parasiten, welche in der Umgebung leben, können sich in kleine Ritzen und Nischen verkriechen und somit auch höhere Temperaturen überleben.
Übrigens haben auch Menschen Milbenbefall, welcher aber nur bei immunschwachen Menschen zum Tragen kommt. Eine Ansteckung durch das eigene Haustier durch Räudemilben ist unwahrscheinlich.
Wellensittich mit leichtem Grabmilbenbefall - erkennbar an den weißen bis gelben Belägen auf Schnabel und Wachshaut
###advertiser_one###Bei dieser Krankheit sind der Schnabel und die Ständer der Vögel besonders häufig von den Milben befallen. Aber auch am Auge kann man außen herum diese speziellen Borken sehen, die durch die Verletzungen, die die Milben in der Haut der Wellensittiche und der anderen Vögel verursachen, sehen. In anderen Bereichen der Haut, wie zum Beispiel unter dem Flügel und um die Kloake sieht man eher selten Veränderungen. Auch die Wachshaut direkt ist nicht oft betroffen, nur die Bereiche außen herum.
Insbesondere kann man borkige Auflagerungen erkennen, die ähnlich wie bei einem Schwamm, zahlreiche kleine Löcher aufweisen. Hierbei handelt es sich um Bohrgänge der Milben. Diese Löcher schädigen und schwächen das Gewebe und die Auflagerungen nehmen mit der Zeit immer mehr zu bei den Vögeln. Irgendwann wird der Schnabel so brüchig, das große Teile herausbrechen können und es zu schweren Blutungen kommen kann. Dies geschieht aber nur, wenn der Besitzer sich nicht kümmert und hat definitiv Tierschutzrelevanz. Hierfür braucht es Wochen, wenn nicht gar Monate, bis es soweit kommt. Auch als eher unerfahrener Vogelbesitzer kann man dies rechtzeitig erkennen. Jeder Vogel, der betroffen ist, kann so in eine Situation kommen, die zur Folge hat, dass er nicht mehr selbstständig Futter aufnehmen kann. Dann hat die Krankheit aber bereits eine hohen Schweregrad erreicht.
Werden die Borken um den Schnabel so stark, dass sie über die Wachshaut herüber ragen, kann dies zur Folge haben, dass der Wellensittich nur noch schwer Luft bekommt, was ebenfalls dringend Behandlungswürdig ist. Symptome hierfür sind vermehrtes Niesen, wie deutliche Schwanzatmung, als auch Backenblasen und Hecheln. Die kann jeder Laie mit bloßem Auge erkennen. Warten Sie dann keine Woche ab, bevor Sie einen Tierarzt aufsuchen.
Bei massiven Schnabelveränderungen und -deformationen kann es notwendig sein, dass man den Schnabel mittels Schleifgerät wieder in Form bringt. Nachhaltig veränderte Schnäbel sind manchmal lebenslang in Behandlung, da die Deformation zu einem immerwährenden Fehlwachstum führt.
Sind auch die Ständer, das sind die Beine beim Vogel, betroffen und trägt der Wellensittich noch einen Ring um den Fuß, so kann dieser einwachsen. Dies hat das Absterben des Fußes oder von einem Bein zur Folge und ist immer ein lebensbedrohlicher Notfall. In solchen Fällen muss der Ring in Narkose von einem Vogeltierarzt entfernt werden und eine lange Heilungszeit mit häufigen Verbandswechseln stehen Sittich und Halter bevor. Soweit sollte es nie kommen. Es beinhaltet großes Leid für jeden Wellensittich, da jede Behandlung schmerzhaft ist. Oft müssen die betroffenen Vögel über langen Zeitraum in einem kleinen Käfig gehalten werden und dürfen in dieser Zeit nicht fliegen. So nur kann man eine regelmäßige Behandlung und deren Erfolg gewährleisten. Lassen Sie den Ring am Bein ihres Vogels am besten gleich vom Tierarzt entfernen, wenn Sie den Vogel neu erworben haben. Diesen Beitrag sollten Sie neben der Vorsorgeuntersuchung immer zum Wohle des Wellensittichs leisten.
In aller Regel werden Wellensittiche als Nestlinge von ihren Elterntieren durch den direkten Kontakt bei der Fütterung angesteckt. Seltener ist dagegen die Übertragung bei bereits erwachsenen Tieren, doch auch hier ist eine Ansteckung keinesfalls auszuschließen. Dies trifft vor allem auf kranke oder ältere Vögel zu, deren Immunsystem geschwächt ist.
Ein weiterer Übertragungsweg ist der Kontakt der Wellensittiche mit Wildvögeln, welche zum Beispiel durch eine Außenvoliere mit den Ziervögeln interagieren und sie so infizieren können.
Ein infizierter Wellensittich kann möglicherweise Monate oder sogar Jahre symptomfrei mit einem Befall leben. Erst bei einer Schwächung des Immunsystems, verursacht u.a. durch Stress, kann es zu einer starken Vermehrung der Milben und damit zu einem krankhaften Ausbruch kommen. Aus diesem Grunde sind oft auch Jungvögel, die gerade von Eltern und Schwarm getrennt wurden, um zu einem neuen Besitzer zu ziehen, betroffen. Da die Ansteckung meistens bereits im Brutkasten geschieht und ein Vogel die Milben dann unerkannt mit in das neue Zuhause bringt, können auch Einzelvögel unter dieser Krankheit leiden. Doch auch die Ansteckung eines älteren Tieres durch einen erkrankten (Jung-)Vogel, kann erfolgen.
Eine erste Ausbreitung wird für gewöhnlich durch Wucherungen in den Schnabelwinkeln deutlich. Es bilden sich graue, weiße oder gelbliche Beläge bzw. Ablagerungen, die sich über den gesamten Schnabel und die Wachshaut ausbreiten.
Der Milbenbefall bei diesem Wellensittich ist deutlich an den weißen Wucherungen in den Schnabelwinkeln zu erkennen.
###advertiser_two###Mit einem fortschreitenden Befall werden die Haut rund um die Augen, auf den Augenlidern, die Beine und bei schweren Erkrankungen der Kloakenbereich und die Bürzeldrüse, die einzelnen Zehen sowie Flügel besiedelt. Beim Vogel führen die Milben anfänglich zu Juckreiz und damit verbundenem vermehrten Kratzen, weiterhin zu einer inneren Unruhe, die sich unter anderem darin äußern kann, dass das betroffene Tier schlecht schläft. Der Halter kann dies an der ungleichmäßigen Verteilung des Nachtkotes erkennen. Mit dem Fortschreiten des Befalls entstehen dem Tier durch die von den Milben hervorgerufenen Veränderungen zunehmend starke Schmerzen.
Im Verlauf der Knemidokoptesräude kommt es zu einem abnormen Längenwachstum und Verformungen an Schnabel und Krallen. Durch die Bohrlöcher der Milben entsteht eine schwammartige Struktur an den befallenen Hautpartien und das Schnabelhorn wird zunehmend porös und kann brechen. Geschieht das, wird es dem betroffenen Wellensittich oft unmöglich selbständig zu fressen, was den Hungertod zur Folge haben kann. Bricht das Schnabelhorn an einer gut durchbluteten Stelle, verblutet das Tier innerhalb kurzer Zeit.
Durch die zunehmende Verdickung der Haut ist an den Beinen ein Einwachsen des Kennzeichnungsrings möglich. Wenn hier nicht rechtzeitig gehandelt, der Ring nicht eingeschnitten und entfernt wird, kann dies zum Absterben des entsprechenden Beinchens führen. Krallen und Zehenglieder können durch die Besiedelung der Hautregionen schief wachsen und fallen schließlich ab. Bei dem Befall der Kopf- und der Kloakenregion kann es zusätzlich zu einem Federverlust in diesen Bereichen kommen. Haben die Milben die Federfollikel stark beschädigt, wird es an den betroffenen Regionen auch nach einer erfolgreichen Behandlung zu keiner neuen Federbildung kommen.
Da die Haut und bei fortgeschrittenem Befall, der gesamte Organismus durch die Milben stark geschwächt wird, können sich leicht weitere Erreger ansiedeln und eine Sekundärerkrankung verursachen. Schwere Hautreizungen und -entzündungen sind die Folge. Aber auch Entzündungen der Organe können vermehrt auftreten, da das Immunsystem den Bakterien und Viren kaum noch Widerstand leisten kann.
Jede Form von Parasiten sollte behandelt werden. Für Ektoparasiten stehen keine Medikamente ausschließlich für den Wellensittich zur Verfügung. Der Tierarzt muss ein Medikament, welches eigentlich im Bereich Rinder oder Schweine eingesetzt wird, umwidmen und dies dann entsprechend dem Gewicht des Vogels herunter verdünnen. Nur so werden die Parasiten abgetötet und nicht auch der Vogel gleich mit.
Im Fall von Räudemilben werden vogelkundige Tierärzte ein Spot-on in den Nacken des Tieres auf die Haut auftragen. Dieses Kontaktgift zieht in die Haut ein, verbreitet sich im Körper und wird dann von den Milben aufgenommen. Auch Partnertiere sollten mitbehandelt werden, selbst wenn sie keine befallenen Stellen zeigen und auch keinen starken Juckreiz haben.
Diese Spot-on Behandlung muss mehrfach wiederholt werden, nicht nur bei starkem Befall, damit alle Stadien der Milben nach und nach abgetötet werden können. Jegliche Behandlung, welche der Milbenbekämpfung und -beseitigung dienen soll, tötet jeweils nur bereits geschlüpfte Tiere, keine Milbeneier ab.
Gerade wenn der Befall mit Grabmilben früh diagnostiziert und medizinisch versorgt wird, ist die Erkrankung meistens gut in den Griff zu bekommen. Wird allerdings erst eingeschritten, wenn bereits die Wachstumsschicht des Schnabels zerstört ist oder ein eingewachsener Ring zum Absterben des Beines geführt hat, bleiben dauerhafte Schäden zurück.
Deshalb ist es besser, wenn man rechtzeitig zum vogelkundigen Tierarzt geht, um die entsprechende Therapie einzuleiten. Es ist nicht ratsam, selbst am Tier herumzudoktern und Öl auf den Schnabel zu schmieren. Diese mittelalterliche Behandlungsmethode ist sicher nicht tiergerecht und sollte nur noch in alter, unmoderner Literatur zu finden sein. Abgesehen davon, wirkt sie auch nicht. Das gilt für alle Arten von Ölen, auch für Paraffinöl. Dies hat nichts auf dem Vogelkörper zu suchen, ist kein Medikament und hilft niemandem, schon gar nicht dem Welli.
Da die Ansteckung mit Räudemilben zumeist im Nestlingsalter erfolgt, sind vorbeugende Maßnahmen für den späteren Halter in dem Sinne unmöglich. Fest steht, dass Stress eine große Rolle beim Ausbruch der Erkrankung spielt – so sollte dieser so weit wie möglich vermieden werden. (Das bedeutet aber keinesfalls, dass zur Stressreduktion erforderliche Tierarztbesuche nicht unternommen werden!)
###advertiser_three###Auch ein auf den ersten Blick vielleicht harmlos anmutender Milbenbefall ist eine ernst zunehmende Erkrankung, die beim betroffenen Wellensittich starke Schmerzen und sogar den Tod verursachen kann. Besteht also der Verdacht auf Grabmilben, ist in jedem Falle ein vogelkundiger Tierarzt aufzusuchen, um die erforderliche Behandlung einzuleiten.
Diese Bilder zeigen den Verlauf eines schweren Grabmilbenbefalls:
Wachshaut, Schnabelhorn, Haut und Zehen wurden durch die Milben schwer geschädigt.
Hier wird deutlich, in wie fern ein fortgeschrittener Krankheitsverlauf zum Verlust des Kopfgefieders um die Augen- und Schnabelpartie aussehen kann. Ob die Henne je wieder ein vollständiges Gefieder haben wird, ist ungewiss.
Nicht nur das Schnabelhorn und die Haut sind bei dem abgebildeten Wellensittich-Hahn stark geschädigt, auch ein Zehenglied ist durch den Befall abgestorben und die Krallen sind deutlich verformt.
Dieser massive Krankheitsverlauf hat Entzündungen der tiefere Hautregionen hervorgerufen. Eine Behandlung durch einen vogelkundigen Tierarzt wird in diesem Stadium kompliziert und der Vogel hat sehr starke Schmerzen.
Autor: Bealu / erweitert von: Dr. Martina Schmoock