Von Australien, was südliches Land bedeutet, aus eroberten die kleinen Papageien seit 1840 mit ihrem leuchtendem Gefieder, ihrem fröhlichen Gezwitscher und vor allem ihrem munteren und zutraulichen Wesen die ganze Welt. Auf einigen Inseln, die ebenfalls zu Australiengehören wie zum Beispiel die Weihnachtsinsel und die Ashmore- und Cartierinseln im Indischen Ozean, wurden bisher noch keine Wellensittiche entdeckt. Australien ist in 6 große Bundesstaaten aufgeteilt: Queensland, New South Wales, Victoria, South Australia, Tasmanien und Western Australia und überall sind die kleinen Papageien anzutreffen.
Die schnelle Vermehrung ohne frisches Blut sorgte für immer mehr Mutationsformen. So entstand etwa 30 Jahre nach der ersten Ausfuhr ein himmelblauer Welli bei einem Züchter in Belgien. Aber auch der frechste, gezüchtete Wohnungs-Welli hier bei uns in Europa als Haustier hat noch eine Menge von seinen wilden Verwandten in sich – ein guter Grund, auch einen Blick auf das Leben der Wellensittiche in freier Wildbahn zu werfen!
Als häufigste Papageienart Australiens sind sie vor allem an den Wasserläufen und in offenem Busch- oder Savannenland anzutreffen. Große Waldgebiete hingegen meiden die Sittiche. Sie präferieren die an den Wasserläufen verbreiteten Eukalypten und sind aufgrund des Wasserangebotes auch oft in der Nähe von Golfplätzen und Schaf- und Rinderzuchten anzutreffen. Obwohl die Vögel auch ohne zusätzliche Wasserzufuhr überleben können, schätzen sie die Nähe zu Frischwasser und ziehen weiter, wenn eine Wasserstelle austrocknet. Am frühen Morgen trinken die Vögel gerne den Tau von Pflanzen oder nehmen im nassen Gras ein Bad – auch viele Haus-Wellis lieben es in nassen Kräutern oder Salat zu baden.
Bietet die Flora ganzjährig Wasser und Nahrung, ist der Welli ein Standvogel. Das bedeutet er bleibt ganzjährig im selben Gebiet und zieht nicht groß umher. In den meisten Regionen Australiens werden sie jedoch durch unregelmäßige Niederschläge und dem davon abhängigem Futterangebot zu einem Nomadenleben gezwungen. Sie legen immer nur kurze Strecken von etwa 100 km in drei Stunden zurück, da sie in freier Wildbahn nicht in der Lage sind große Fettdepots für längere Strecken aufzubauen.
Die kleinen Papageien kommen fast in ganz Australien vor. Nur im Südwesten, in den Küstenregionen Nord- und Ostaustraliens und auf der Kap-York-Halbinsel wurden sie bisher selten bis nie gesichtet. Auf der Insel Tasmanien, die noch zu Australien gehört, wurden Wellensittiche gesichtet. Diese sind jedoch aus Gefangenschaft geflohen und scheinen sich nun dort anzusiedeln.
###advertiser_one###Vor allem die lang anhaltende Trockenheit kann den wildlebenden Wellensittichen (Melopsittacus undulatus) zu schaffen machen. Im Laufe der Evolution haben sich nahezu perfekt an die klimatischen Bedingungen ihrer heißen und trockenen Heimat angepasst und sind dadurch in der Lage auch einige Tage ohne Wasser auszukommen. Es reicht ihnen die Feuchtigkeit aus der Nahrung und der Tau in den frühen Morgenstunden, den sie auf Grasflächen finden können. Auf der Suche nach Wasserstellen legen sie weite Strecken zurück.
Leider hat der Mensch in den letzten Jahrzehnten die Lebenswelt der kleinen Papageien stark verändert. Farmer legen Quellen und Wasserstellen im weiten Outback trocken, da das Wasser dort nicht unnötig verschwendet werden soll. Sie leiten das Wasser zu ihren Viehherden um. So müssen die kleinen Sittiche immer weitere Wege zurücklegen um frisches Wasser zu finden. In lang anhaltenden Trockenperioden werden sie teilweise sogar unüberwindbar und somit zum Verhängnis.
Praktisch alle wild lebenden Wellis besitzen das so genannte wildfarbene Federkleid. Sie sind grün mit gelbem Gesicht und dunkelblauen Schwanzfedern. Einige Federn des Kopfgefieders fluoreszieren schwefelgelb und die Füße sind grau-blau. Man findet nur selten andere Gefiederfarben, da diese auffällig gefärbten Papageien schnell Fressfeinden zum Opfer fallen, da sie sich nicht gut tarnen können und im Schwarm gleicher Vögel sofort auffallen. Die gut durch ihre grüne Farbe getarnten Wellis sind zwischen den Blättern der Bäume, in denen sie sich ausruhen kaum auszumachen und das grün-schwarze Wellenmuster auf dem Rücken lässt sie bei der Nahrungsaufnahme mit dem Boden verschmelzen.
In freier Wildbahn leben Wellensittiche in großen Schwärmen. Nicht nur weil sie sehr sozial sind, sondern weil sie auch dies vor Fressfeinden schützt und alle für den Schwarm Nahrung suchen können. Besonderen Schutz bieten große Schwärme vor Raubvögeln. Um einen erfolgreichen Angriff durchführen zu können, muss der Raubvogel sich auf ein einzelnes Tier konzentrieren können. In einer großen, wogenden, sich ständig bewegenden Masse gleich aussehender Tiere ist dies allerdings äußerst schwierig. Hier liegt auch der Grund dafür, warum Wellensittiche so lange wie möglich eine Krankheit verbergen. Ein geschwächter oder gar verletzter Vogel fällt in der Masse auf, sticht heraus und bietet ein gut angreifbares Ziel in der Gruppe. Oft werden kranke Tiere aus dem Schwarm ausgestoßen, um den Rest zu beschützen. Dieses Verhalten kann man auch noch bei unseren domestizierten Vögeln beobachten.
Auch in ihren Ruhephasen geben sie ihren Schwarm nicht auf. Während der Nachtruhe oder der Mittagshitze lassen sie sich möglichst weit oben im Geäst der Bäume nieder. Entdeckt einer der Vögel einen Feind, stößt er einen Warnruf aus, der alle anderen Vögel alarmiert, so dass sich alle Vögel gleichzeitig in die Luft erheben. So bleibt einem Angreifer kaum Zeit, sich einen bestimmten Sittich als Opfer auszusuchen.
###advertiser_two###Doch die Gefahren lauern nicht nur in der Luft. Auch am Boden müssen die Wellis immer wachsam sein. Schlangen am Boden oder im Geäst von Bäumen stellen ebenfalls eine Gefahr dar. Vor allem Wellensittich Küken sind eine leichte Beute für sie, da sie nicht wie die adulten Tiere fliegend vor den Reptilien flüchten können. Während ihrer ersten Flugversuche sind die Kleinen besonders gefährdet. Wagen sie sich das erste Mal aus ihrer Bruthöhle heraus, ist ihr Gefieder oft noch nicht vollständig entwickelt und die Flugmuskulatur ist noch nicht genügend ausgeprägt. Des Weitern müssen sie erst das Fliegen, Steuern und Landen lernen. Landet ein Küken bei einem Flugversuch auf dem Boden, fehlt im häufig die nötige Kraft um sich direkt wieder in die schützenden Bäume zu erheben. Ruft er in seiner Angst nach Artgenommen, macht er auch Feinde auf sich aufmerksam. Wird ein Feind auf ihn aufmerksam, bleibt ihm oft nur schnelles Laufen, um sich unter einem Busch oder Strauch in Sicherheit zu bringen, wohin ihm eine Schlange jedoch problemlos folgen kann. Schlangen sind am Boden auch viel schneller als ein kleiner Welli mit kurzen Beinen im Gras. Da sie in großen Höhen deutlich sicherer vor Fressfeinden sind, meiden sie den Boden so oft wie möglich und sind dort äußerst wachsam. Dieses Verhalten kann auch noch bei unseren domestizierten Vögeln beobachtet werden.
Eine weitere große Bedrohung für Wellensittiche sind die Buschbrände. Sie vernichten nicht nur Brut- und Schlafplätze sondern vernichten auch weite Grasflächen auf denen die Tiere Futter finden. Oft müssen Schwärme dann weiter Strecken fliegen, um neues Grün zu finden. Sind große Areale vom Brand betroffen, sammeln sich einige Schwärme in den von den Bränden verschonten Gebieten, wodurch es durch die große Anzahl an hungrigen Tieren zu einer Nahrungsknappheit kommen kann.
Obwohl sich die Papageien in großen Gruppen versammeln, sind sie meistens leiser als ihre domestizierten Verwandten: Bei der Nahrungsaufnahme sind die Vögel fast vollkommen still. Nur beim Ausruhen, was sie am liebsten in großen Eukalyptusbäumen tun, zwitschern sie leise vor sich hin. Die Ernährung besteht vor allem aus Samen von Bodendeckerpflanzen und dadurch sind sie große Nahrungsspezialisten. Während der Jungenaufzucht werden auch Insekten – als zusätzlicher Eiweißlieferant – nicht verschmäht und es werden vor allem Samen zum Fressen benötigt, die nur nach einer längeren Regenzeit ausreichend zur Verfügung stehen.
Diese Nahrungsspezialisierung ist darauf zurück zu führen, dass der australische Kontinent etwa 50 Millionen Jahre von allen Anderen durch die Ozeane isoliert war. Durch diese Isolierung entwickelten sich dort Pflanzen und Tiere, die es nirgendwo sonst auf der Welt gibt. Zum Beispiel die rund 600 verschiedenen Arten von Eukalyptus- und Akazienbäumen. Neben den Wellis haben sich in Australien noch unter anderem die Papageienarten Lories, Kakadus und Kookaburra entwickelt. Um diese zahlreiche, einzigartige Flora und Fauna zu schützen, gibt es in Australien sehr viele großflächige Nationalparks. Inzwischen sind etwa 12 % der Landfläche Australiens Schutzzonen.
###advertiser_three###Im zarten Alter von etwa 50 Tagen suchen die jungen Melopsittacus erste Kontakte zu ihren Artgenossen. Nach noch einmal derselben Zeit haben sich meistens schon dauerhafte Paare gebildet. Da es keinen festen Paarungsrhythmus gibt, pflegen sie das ganze Jahr über intensiv die Beziehung und beginnen die Brut, sobald günstige Bedingungen dafür herrschen: wenn über mindestens drei Monate hinweg ein üppiges Nahrungsangebot zur Verfügung steht. Schon im zarten Alter von 4 Monaten können bei männlichen Wellensittichen erste reife Spermien gebildet werden.
Das Männchen verwöhnt seine Angebetete mit demselben aufwendigen Imponiergehabe, Futtergaben und liebevollem Kraulen, dass man von seinen Zimmer-Wellis kennt. Um seine Paarungsbereitschaft anzuzeigen, duckt sich das Weibchen flach auf den Ast, wobei es Kopf und Schwanz in die Höhe streckt und den Rücken krümmt. Das Männchen steigt auf ihren Rücken und legt während der Paarung meist den Flügel um seine Partnerin.
Auch bei der Brut sind die Sittiche gesellig und ziehen ihren Nachwuchs dicht nebeneinander auf. In Baumhöhlen legt das Weibchen vier bis sechs, manchmal auch bis zu acht Eier, die vom ersten Tag an bebrütet werden. Falls die natürlichen Astlöcher nicht den Vorstellungen der Sittichdame entsprechen, hilft sie mit dem Schnabel nach und vergrößert ihre Nisthöhle. Eine Fähigkeit, die auch so manchen Hennenbesitzer Nerven kostet, denn auch in Gefangenschaft nagen die Weibchen viel und äußert effizient. An Korkröhren, frischen Ästen oder unbedrucktem Papier können die Mädels sich auch im Wohnzimmer austoben.
Nach etwa 18 Tagen brüten schlüpfen die Küken, während das Männchen die Henne mit Nahrung versorgt. Die kleinen Wellis haben einen anstrengenden Schlupfvorgang vor sich, bei denen ihnen die Mutter behilflich ist, wenn es ihnen nicht von alleine gelingt, sich aus der Schale zu befreien. Frisch geschlüpfte Küken wiegen etwa 2 g. Nach einem guten Monat ist der Nachwuchs flügge und verlässt die Bruthöhle. Jungvögel sind zu Beginn etwas matter gefärbt als die adulten Tiere.
Ob die Paare ein Leben lang zusammenbleiben, ist bis heute nicht ganz geklärt. In Gefangenschaft finden regelmäßig „Seitensprünge“ statt, aber in der Natur ist durch die schwierigeren Bedingungen eine feste Beziehung möglicherweise wichtiger.
Über die Lebenserwartung im Freiland ist nichts bekannt. Sie dürfte aber niedriger liegen als die der Stubenvögel, die mit viel Glück bis zu 15 Jahre alt werden – fünf bis sieben Jahre sind aber ein realistischerer Wert. Viele wildlebende Wellensittiche fallen Greifvögeln wie Habichten, Sperbern und Falken zum Opfer. Auch über die Gesundheit der Tiere und mögliche Krankheiten gibt es wenige bis keine Information.
Die australischen Ureinwohner, die Aborigines, schätzten sie übrigens nicht als Hausgenossen, sondern als Nahrungsquelle: Ihren englischen Namen „budgerigar“ verdanken die Wellis angeblich einer Verballhornung des Aborigine-Ausdrucks für „Gutes Essen“... Heute sind Wellensittiche vor allem für Touristen eine Attraktion, für Einheimische dürften die Sittiche kaum auffälliger sein als in Mitteleuropa Amseln oder Meisen.
Die IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources; auf Deutsch Internationale Union zur Bewahrung der Natur und natürlicher Ressourcen.) stuft die wild lebenden Wellensittiche als ungefährdet ein.
Blueberry