Wellensittiche, die ihre Flugfähigkeit nicht durch einen tragischen Unfall oder eine schwerwiegende Erkrankung verloren haben, sind in aller Regel gute und meist begeisterte Flieger.
In der freien Wildbahn legen ihre australischen Verwandten als Nomaden oft viele Kilometer auf der Suche nach Nahrung und Wasser am Tag zurück. Einen ausgeprägten Bewegungsdrang haben auch unsere Wellensittiche noch inne – und wollen ihn natürlich ausleben.
Diese Frage lässt sich leicht beantworten: Je länger, desto besser.
Beim Fliegen bauen die Vögel ihre überschüssige Energie ab, die sich sonst, bietet man ihnen zu wenig Bewegungsfreiraum, schnell aufstaut und nicht selten zu Aggressionen unter einander führt. Verbringen die Tiere dann die meiste Zeit des Tages zudem in einem Käfig, der die Mindestanforderungen bezüglich seiner Maße nicht erfüllt, äußert sich die Unausgelastetheit und Frustration nicht selten in gegenseitigem Hacken (was über das normale Gebärden unter Wellensittichen hinaus geht) bis hin zu blutigen Auseinandersetzungen.
Aus diesem Grunde brauchen Wellensittiche jeden Tag ihren Freiflug, der vier zusammenhängende Stunden auf keinen Fall unterschreiten sollte. Diese Angabe bezieht sich auf eine Käfiggröße, die angemessen auf ihre Bewohnerzahl abgestimmt ist – bei einem Pärchen wären das also mindestens 80 cm in der Breite und 45 cm in der Tiefe. Bewohnen die Tiere ein kleineres Domizil, muss die Freiflugzeit dementsprechend angepasst werden.
Je größer ein Schwarm ist, desto schwieriger wird es, eine Voliere mit der entsprechenden Grundfläche pro Vogel zu finden. In dem Fall ist eine Haltung nur möglich, wenn ganztägiger Freiflug gewährleistet werden kann.
Ihre aktivsten Phasen haben Wellensittiche in den Morgen- und Vormittagsstunden und dann noch einmal am Nachmittag bis in den Abend hinein. Während der Mittagszeit wird meist Siesta gehalten. Dabei spielt sich ein Pärchen oder auch ein Schwarm mit der Zeit so ein, dass meist alle gleichzeitig ihr Nickerchen machen.
In die aktiven Phasen sollte demnach auch die Freiflugzeit fallen, denn es bringt den Vögeln relativ wenig, wenn ihr Käfigtürchen gerade während der Mittagsruhe geöffnet wird und dann verschlossen, wenn sie allmählich wieder munter werden.
Auch wenn Wellensittich-Besitzer häufig berichten, dass ihre Tiere nach zwei oder drei Stunden Freiflug wieder von selbst in den Käfig gehen, bedeutet das nicht, dass man dann den Käfig auch schon wieder verschließen sollte.
Aktive Phasen wechseln sich immer mit solchen geringerer Aktivität ab und so kommt es vor, dass die Vögel zwischendurch immer einmal den Käfig aufsuchen, um etwas zu fressen oder einfach nichts zu tun. Verschließt man ihn dann, nimmt man ihnen die Möglichkeit, sich später noch weiter auszutoben.
###advertiser_one###Um seine Wellensittiche zum Freiflug zu animieren und ihnen Möglichkeiten zu geben, sich auch außerhalb des Käfigs wohl zu fühlen, braucht es natürlich auch interessante Anflugplätze in Form von Spielplätzen und/oder Kletterbäumen. Da die Vögel hohe Positionen bevorzugen, von denen aus sie das Zimmer im Blick haben, bietet es sich zum Beispiel an, einen Spielplatz von der Decke hängen zu lassen. Ein weiterer beliebter Aufenthaltsort ist oft das Käfigdach, so dass auch hier eine Spielmöglichkeit aufgestellt werden kann.
Der Phantasie in der Gestaltung schöner Landeplätze sind keine Grenzen gesetzt. Wichtig ist, dass sie für Wellensittichaugen einladend sind und im Laufe der Zeit auch immer wieder einmal umgestaltet werden, um Langeweile vorzubeugen.
Man wird es allerdings wohl nie ganz vermeiden können, dass die Vögel auch Plätze im Zimmer anfliegen, die nicht eigens für sie gedacht sind. Beliebt sind hierbei vor allem Gardinenstangen und Bücherregale.
Hat ein Welli etwa ein Bücherregal als bevorzugten Landeplatz auserkoren, ist es sehr gut möglich, dass durch seinen nagefreudigen Schnabel die Bücher in Mitleidenschaft gezogen werden. Ebenso wird gerne einmal Tapete von der Wand geknabbert und der darunter liegende Putz feinsäuberlich vom Mauerwerk "geschält". Auch Löcher durch Schnäbel und Krallen in Gardinen lassen sich nicht vermeiden.
Durch geeignete Spielplätze aus Naturästen, Kork und anderen Materialien, an denen die Tiere ihrem Nagetrieb freien Lauf lassen können, lassen sich Beschädigungen sicher minimieren – ganz verhindert werden sie aber nicht. Dessen muss man sich im Vorfeld bewusst sein, denn die Angst vor einer angefressenen Steuererklärung oder einem Loch in der Tapete rechtfertigen keine reine Käfighaltung!
Man kann unter anderem versuchen, die Tiere durch das Anbringen von Folie/Elefantenhaut oder abwaschbarer Farbe an besonders beliebten Stellen, am knabbern zu hindern. Auch das anbringen von Fliesen oder Plexiglasscheiben kann Abhilfe schaffen.
Weiterhin muss man bedenken, dass Wellensittiche auch Dreck machen. Neben Federn und Federstaub, lassen sie auch viele Male am Tag ein Kotbällchen fallen. Meist wird der Kot kurz vor dem Losfliegen, nach dem Landen oder beim Sitzen abgesetzt, so dass man die beliebten Landeplätze dementsprechend mit einer pflegeleichten Unterlage präparieren kann. Ganz verhindern, dass auch einmal etwas im Flug fallengelassen wird und dann auf dem Esstisch, den Hausaufgaben, im Kaffee, an der Wand oder auf einem Gast landet, kann aber man nicht. Wem dieser Umstand unangenehm ist, der sollte von Wellensittichen lieber im Vorfeld der Anschaffung Abstand halten.
Zu diesem Thema gibt es unterschiedliche Ansichten, doch prinzipiell spricht nichts dagegen, die Wellensittiche auch ohne Aufsicht fliegen zu lassen, sofern man einige Dinge beachtet: Das Freiflugzimmer muss natürlich von diversen Gefahrenquellen befreit werden, wie etwa giftigen Pflanzen oder Spalten hinter Schränken und Regalen. Außerdem muss sichergestellt sein, dass während der Abwesenheit etwaige andere Haustiere wie Hund und Katz keinen Zugang zum Zimmer haben. Diese Sicherheitsvorkehrungen müssen natürlich auch getroffen werden, bevor die Vögel unter Aufsicht fliegen – der Aufwand ist also der gleiche.
Gerade wenn man berufstätig ist und erst in den Abendstunden heimkommt, ist es vor allem in der dunklen Jahreszeit sinnvoll, Teile der Zimmerbeleuchtung an eine Zeitschaltuhr anzuschließen, damit die Wellensittiche auch nach Anbruch der Dämmerung noch animiert sind sich zu bewegen.
Beachtet man diese Punkte und beherbergt keine Sorgenkinder, die schnell verunfallen können - wie etwa kranke und/oder flugunfähige Tiere - , dann spricht auch nichts gegen einen ganztägigen Freiflug ohne Aufsicht.
Denn eines muss man sich immer vor Augen halten: Selbst wenn die Vögel nur fliegen dürfen, wenn jemand im Haus ist, bedeutet das nicht, dass sie auch permanent unter Beobachtung stehen. Unfälle können auch dann passieren, wenn man nur kurz einmal das Zimmer verlässt und ebenso während des Aufenthalts in Käfig oder Voliere.
Wer sich Wellensittiche als Mitbewohner ins Haus holt, muss von Anfang an bereit sein, ihnen auch ihren Freiflug zu gewähren, denn es gibt keinen Käfig, der ihrem Bewegungsdrang gerecht werden könnte.
Hätten wir Menschen Flügel, würden wir sie auch nutzen können wollen. Und das am besten so oft und lange wie möglich.
Bealu